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Guttenberg und Seehofer: CSU: Glanz und Glaubwürdigkeit

Statt Dankgottesdienste für die endlich erfolgreiche Parteivorsitzende gibt es Guttenberg-Festspiele auf dem Deutschlandtag der Jungen Union.

Es ist schon seltsam: Da sinkt die Arbeitslosigkeit auf den tiefsten Stand seit 1991 und ist mit unter drei Millionen kein Thema mehr, über das sich Kanzlerin und Außenminister Gedanken machen müssten. Doch statt die dankbaren Wähler in Scharen in den schwarz-gelben Pferch zu treiben, verharren die Umfragen bei 35 Prozent für beide zusammen. Und statt Angela Merkel demoskopischen Auftrieb zu geben, spekuliert alle Welt darüber, wann und wie das deutsche Traumpaar der Politik Kanzler und Kanzlergattin werden kann. Statt Dankgottesdienste für die endlich erfolgreiche Parteivorsitzende gibt es Guttenberg-Festspiele im deutschen Fernsehen und auf dem Deutschlandtag der Jungen Union.

Einmal abgesehen davon, dass niemand – auch der neue, konservative Heilsbringer nicht – die Kanzlerin stürzen kann, wenn sie nicht von selbst die Reißleine zieht, offenbaren sich in der Guttenbergerei deutsche Sehnsüchte, die für die politische Klasse wie die parlamentarische Demokratie nicht ungefährlich sind. Da ist zum einen die gnadenlose Boulevardisierung der Politik, die alles und jedes und hier besonders komplizierte politische Inhalte in mediale Bekömmlichkeit auflöst. Dass Guttenberg anstrengungslos zu gelingen scheint, worüber sein Vorgänger nicht einmal nachzudenken wagte, die Abschaffung, pardon, die Aussetzung der Wehrpflicht wie die Veränderung liebgewordener bürokratischer Strukturen auf der Hardthöhe, hat eben auch damit zu tun, dass alles auf das „royal couple“ starrt, statt auf die von ihm vertretene Politik. Schon die Kundus-Affäre und die Auswechslung der Bundeswehr-Führungsspitze offenbarten die Teflon-Eigenschaften des Ministers und seiner Frau – nichts bleibt hängen.

Es ist schon so, Helmut Kohl würde heute nicht mehr Bundeskanzler und Franz Josef Jung – wer war das noch mal? – wahrscheinlich nicht einmal mehr Arbeitsminister. Doch auch auf dem Boulevard gilt: Ganz ohne Persönlichkeit geht es nicht. Und da bringen die Guttenbergs offenbar etwas mit, nach dem sich die Deutschen sehnen: geistige und finanzielle Unabhängigkeit und damit jene vermeintliche innere Distanz zur Politik, die sich die vielen bezahlten grauen Angestellten des Metiers anscheinend nicht leisten können.

Was in der Frühphase der Republik die gebrochenen Biografien eines Kurt Schumacher und Willy Brandt oder die noch in Weimar und im Dritten Reich wurzelnden Anfänge von Konrad Adenauer, Theodor Heuss und Helmut Schmidt leisteten – die über das Mittelmaß sich erhebende charaktervolle Persönlichkeit – ersetzt hier die ungebrochene aristokratische Tradition. Sie ist das Andere, vermeintlich Bessere, das Glänzendere und Glaubwürdigere. Ob die Wirklichkeit dem standhält, wird die Zukunft weisen. Die unübersehbare Sehnsucht nach und der Mangel an solchen Persönlichkeiten in der Politik ist schon heute offenbar.

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