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Meinung: Haben Privatversicherte wirklich Bestandsschutz?

„Bestandsschutz“ vom 21. November Teurer wird es vor allem für Neukunden“.

„Bestandsschutz“ vom 21. November

Teurer wird es vor allem für Neukunden“. Richtig. Aber für Bestandskunden ist es schon immer teuer! Daher irrt Herr Woratschka, wenn er schreibt, Bestandskunden bleiben „von großen Beitragserhöhungen verschont“. Eine alljährliche (auch dieses Jahr) Beitragserhöhung von zum Teil deutlich über 30 Euro bei einer renommierten privaten Krankenversicherung (Gothaer) macht einen schon richtig sauer.

Und gerade dann, wenn man keine Wahl hat, da ein Wechsel zu einer anderen Versicherung praktisch unmöglich ist, da die Altersrückstellungen nicht mitgenommen werden können. Wettbewerb gibt es hier nicht, die Bestandskunden sind an ihre Versicherung angekettet. Das merkt man dann gelegentlich auch an dem Service. Es treibt einem schon die Zornesröte ins Gesicht, wenn der Verband der privaten Krankenversicherung von einem nachhaltigen Versicherungszweig im Gegensatz zur gesetzlichen Krankenversicherung in seinen großen Anzeigen spricht und die eigene Versicherung gleichzeitig die Beitragssatzerhöhung mit dem geringen Zinssatz auf dem Kapitalmarkt begründet.

Dr. Matthias von Schwanenflügel,

Berlin-Frohnau

Beitragserhöhungen verteilen sich ganz unterschiedlich auf die privaten Krankenversicherungen und dort wiederum auf die verschiedenen Tarife und Personengruppen. Betrachtet man den gesamten Markt, ist für 2013 ein deutlicher Unterschied zwischen Bestand und Neugeschäft auszumachen: Im Neugeschäft haben 21 (von etwas über 40) Unternehmen Beitragsanpassungen angekündigt, für den Bestand sind „nur“ acht mit diesen Informationen herausgerückt. Ein Blick auf die prozentualen Steigerungsraten bestätigt diese Tendenz: Während im Neugeschäft Erhöhungen über zehn Prozent keine Seltenheit sind (im Maximum sogar bis zu 40 Prozent), steigen die Preise für Bestandskunden weniger stark, meist mit Raten bis fünf Prozent. Das dürfte für viele Versicherte eine Verteuerung von 20 bis 50 Euro bedeuten, wobei auch Fälle von deutlich stärkeren Anstiegen bekannt sind.

Die Unisex-Neutarife sorgen wahrscheinlich bald generell für steigende Beiträge – nicht nur in der privaten Krankenversicherung. Deshalb haben viele Unternehmen in sehr vielen Alttarifen bereits letzten Sommer Beitragsgarantien bis Ende 2013 ausgesprochen. Das soll das Neukundengeschäft noch mal ankurbeln, bis es dann mit Einführung der Unisex-Tarife stark abflauen wird. So jedenfalls befürchtet es die ganze Branche.

Soweit der objektive Blick auf das Problem. Ein etwas anderes Bild ergibt sich, wenn man sich in die Lage der Betroffenen versetzt. Für Bestandskunden ist eine Erhöhung mit einem konkreten Verlust verbunden, denn der Betrag fehlt künftig im Portemonnaie. Immer mehr Menschen können sich ihre private Police nicht mehr leisten. Das geht soweit, dass der PKV-Verband und die Bundesregierung schon seit Einführung der Versicherungspflicht über „Nichtzahlertarife“ diskutieren. Eine Umsetzung in dieser Legislaturperiode erscheint aber eher unwahrscheinlich.

Neukunden dagegen dürften die Erhöhung weniger spüren, da sie vor Vertragsunterzeichnung ohnehin nur den neuen, höheren Beitrag erfahren. Sie haben aber immerhin noch die Wahl, sich für ein anderes PKV-Unternehmen zu entscheiden oder doch lieber gesetzlich versichert zu bleiben. Optionen, die den allermeisten Bestandskunden de facto verwehrt bleiben, da Alterungsrückstellungen verloren gehen.

Doch eines ist sicher: Teurer wird es für alle, nicht nur in der Privatversicherung. Auch am gesetzlichen System nagen Kostensteigerungen für Medikamente, Ärztehonorare und neue Behandlungen. Die demografische Entwicklung tut ihr Übriges. Der Unterschied zwischen gesetzlich und privat ist, dass zur Kompensation die gesetzlichen Leistungen gekürzt und die Kassen durch milliardenschwere Steuerzuschüsse gestützt werden können. Das erspart die unpopuläre Anhebung des Beitragssatzes, ist aber dennoch mit indirekten Mehrkosten und Zuzahlungen für die Patienten verbunden. Nicht zu vergessen: Auch viele Kassenpatienten müssen Jahr für Jahr aufgrund der Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze mehr bezahlen. Der gesetzliche Maximalbeitrag erreicht mit der Pflegeversicherung ab Januar 2013 erstmals rund 700 Euro. Die Rücklagen im gesetzlichen System haben zwar ein beachtliches Niveau erreicht, entsprechen aber mit rund 23 Milliarden Euro gerade mal den Ausgaben von weniger als zwei Monaten. Zukunftsfestigkeit sieht anders aus. Selbst die Bürgerversicherung hat hierauf noch kaum überzeugende Antworten parat.

Einen Vorteil haben Privatversicherte doch noch, von dem viele gar nichts wissen: Gemäß Paragraf 204 Versicherungsvertragsgesetz steht selbst langjährigen und älteren Versicherten das Recht zu, jederzeit innerhalb der Gesellschaft in einen anderen, mindestens gleichwertigen, günstigeren Tarif zu wechseln und zwar unter Mitnahme der Alterungsrückstellungen und ohne Gesundheitsprüfung (nur für evtl. Mehrleistungen). Eine Möglichkeit, die Kassenpatienten nicht offensteht.

— Albert Gottelt ist Fachjournalist und Chefredakteur beim Verbraucherportal www.1a.net

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