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Meinung: Hakenkreuz nix gut

Auch wer kritisch mit NS-Symbolen spielt, läuft in die Fallen der Justiz

Die Justizschelte ist ungewöhnlich heftig. SPD-Chef Kurt Beck erklärt: „Für ein Urteil, das letztlich die Verachtung gegenüber Nazisymbolen gleichsetzt mit der Verbreitung der Symbole selber, habe ich kein Verständnis.“ Volker Beck, Fraktionsgeschäftsführer der Grünen im Bundestag, meint gar, da „steht doch der Rechtsstaat kopf“. Und Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) kündigt bereits eine Änderung des Strafrechts an, sollte es bei der richterlichen Einschätzung bleiben, dass auch ein zum Protest gegen Neonazis durchgestrichenes oder mit der Faust zerschlagenes Hakenkreuz den Straftatbestand des Paragrafen 86 a erfülle. Darin geht es um die „Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“.

Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hatte deswegen über 16 000 Artikel des Punk-Versandhandels „Nix Gut“ beschlagnahmen lassen, und die18. Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts verurteilte den Firmenchef zu einer Geldstrafe. Dagegen will Nix Gut nun beim Bundesgerichtshof Revision einlegen. Man habe das durchgestrichene Hakenkreuz eindeutig als Protestsymbol gegen Neonazis verwendet. Auch die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes spricht von einem „Skandalurteil“.

Im ersten Reflex möchte man dem gewiss zustimmen. In Berlin sagt der für politische Delikte zuständige Oberstaatsanwalt dem Tagesspiegel, dass man verfremdete Hakenkreuz-Abbildungen, die zweifelsfrei dem Kampf gegen Rechtsextreme dienten, nicht verfolgen werde. Während also in Berlin ein Plakat der Grünen mit einem in die Mülltonne getretenen Hakenkreuz nicht geahndet wird, ermittelt die Staatsanwaltschaft im niedersächsischen Stade gegen die Grünen wegen eines ähnlichen Plakats, das auch den Schriftzug „Nazis? Nein danke!“ zeigt.

In der direkten politischen Auseinandersetzung wirkt der staatsanwaltschaftliche Eingriff absurd. Doch die Bedenken der Stuttgarter Justiz sind nicht so skandalös, wie es die ersten Reaktionen nahelegen. Auch bei der symbolisch-kritischen Verwendung von Hakenkreuzen, so das Gericht, bestehe die „Gefahr einer Gewöhnung“ an den Tabubruch. Claudia Roth, die Grünen-Vorsitzende, nennt dieses Argument „rechtsblinden Autismus“. Allerdings räsoniert die Stuttgarter Staatsanwaltschaft: „Was unter dem Hakenkreuz geschehen ist, ist zu schrecklich, um es als modisches Accessoire zu verwenden.“

Tatsächlich spielen Anti-Nazi- Logos, die auf T-Shirts, Schmuckbuttons oder Kaffeetassen das Hakenkreuz zeigen, als kommerzielle Produkte sehr wohl auch mit dem Anstößig-Frivolen. Symbole der Täter sind offenbar cooler als Marken der Opfer. Trotzdem treten Demonstranten durchaus in den gestreiften Kitteln von KZ-Häftlingen auf, aber aus guten Gründen niemals in noch so kritisch verfremdeten SS-Uniformen.

Die Verwendung von NS-Symbolen zur „Aufklärung“ oder in Kunst und Wissenschaft ist ohnehin von der Geltung des Strafrechts ausgenommen. Die Nix-Gut-Händler werden nun vorm Bundesgerichtshof ihren Beitrag zur „Aufklärung“ geltend machen. Aber wie wäre das beispielsweise bei T-Shirts gegen Kinderpornografie, die entsprechende Bilder mit einem (protestierenden) schwarzen Balken zeigen?

Tabus, das gilt selbst für die Strafandrohung gegenüber Holocaust-Leugnern, grenzen in freien Gesellschaften immer an Zensur. Aber ganz ohne Tabus droht auch das Recht der Rechtlosigkeit.

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