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Meinung: Halfpenny

„Der Fall Gäfgen“ vom 5. August Im englischen Recht gibt es den Begriff „derisory damages“: Schadensersatz, der lächerlich macht.

„Der Fall Gäfgen“ vom 5. August

Im englischen Recht gibt es den Begriff „derisory damages“: Schadensersatz, der lächerlich macht. Als Beispiel sei der Fall des Schriftstellers Leon Uris genannt, der in seinem Roman „Exodus“ einen polnischen KZ-Arzt erwähnte, der in Auschwitz 17 000 experimentelle Operationen ohne Anästhesie durchgeführt habe. Der Arzt klagte gegen Uris und gewann in letzter Instanz, weil die Behauptung im Roman nicht nachweisbar war. Aber, so urteilten die Richter, man könne einem Kläger, der in Auschwitz gegen jedes rechtliche und moralische Empfinden verstoßen habe, keinen „substantiellen Schadensersatz“ zusprechen. Dies wäre ein unerträglicher „affront to justice“. Ihm wurde ein Halfpenny, damals die kleinste Münze der britischen Währung, zuerkannt. Auch als Jurist muss man sich manchmal fragen, ob die engen Korsettstangen des deutschen Rechtssystems den Richtern erlauben, zu einem Urteil zu kommen, das dem Verlangen nach Gerechtigkeit entspricht.

Werner Kilian, Berlin-Tempelhof

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