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Der Tanz der deutschen Nationalspieler erregt im Internet die Gemüter.

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Harald Martenstein über WM-Feier: Mildernde Umstände für #Gauchogate

Auf Fußballplätzen herrschen andere Sitten als auf dem Kirchentag. Harald Martenstein hat daher Verständnis für die Nationalspieler. Sollen sie "Heile, heile Gänsje "singen?

Seit Jahren heißt weltweit fast jedes Ereignis mit Erregungspotenzial „Gate“, nach „Watergate“. Berlusconis Affäre mit einer Prostituierten läuft unter „Rubygate“. Als Janet Jacksons Brust bei einem Gesangsauftritt vor Millionenpublikum kurz entblößt war, sprach man vom „Nipplegate“. Jetzt also: „Gauchogate“.

Adrenalin und Testosteron

Bei der Siegesfeier haben die deutschen Fußballer ihre argentinischen Gegner verspottet. Sie führten einen Watscheltanz auf und sangen dazu „So gehen Gauchos“. Das war natürlich stillos und unsportlich. Allerdings würde ich bei Tänzern, die zwei Nächte nicht geschlafen haben und bis in die Haarspitzen mit Adrenalin, Testosteron und wohl auch Alkohol gefüllt sind, dazu raten, mildernde Umstände gelten zu lassen. Nur eine einzige Peinlichkeit innerhalb von vier Wochen, so eine gute Quote hat Berlusconi im Laufe seiner gesamten Amtszeit nicht hinbekommen. Wer noch nie etwas Peinliches getan hat, zumal in Rausch, der werfe den ersten Stein.

Harald Martenstein.
Harald Martenstein.

© dpa

Ines Pohl, die Chefin der „taz“, hat zu dem Gauchotanz getwittert: „Na, nun doch das wahre Gesicht“, gemeint ist wohl das wahre Gesicht der Deutschen, selbstverständlich ein hässliches. Die haben sich wochenlang verstellt, als nette Jungs, in Wahrheit sind Özil, Khedira und Klose offenbar doch Rassisten und Nationalisten. Özil singt die Nationalhymne nur deshalb nicht mit, weil er die erste Strophe haben will, statt der dritten. Und Kloses Salto soll das Hakenkreuz darstellen, stimmt’s? In Argentinien sieht man die Sache deutlich gelassener. Auch den Argentiniern ist es keineswegs fremd, sportliche Gegner nach deren Niederlage zu verspotten. Leider herrschen auf Fußballplätzen völlig andere Sitten als auf dem Kirchentag. Aber wer Opfer ist, bestimmen immer noch wir.

Bastian Zucchinisteiger?

Im Netz gibt es schon Vorschläge zu den künftigen Auftritten der deutschen Fußballer. In deutschen Stadien soll nicht mehr von „Verlierern“ gesprochen werden, stattdessen nur noch vom „zweiten Sieger“. Als einziger Fangesang soll der Mainzer Karnevals-Song „Heile, heile Gänsje, es wird bald wieder gut“ erlaubt sein. Joachim Löw soll versprechen, dass die deutsche Mannschaft niemals über die rechte Flanke angreift. Die Spieler sollen bei der Vorstellung der Mannschaft ihre Namen tanzen. Wer foult, muss hinterher auf die wehe Stelle pusten. Bastian Schweinsteiger benennt sich, um für gesunde Ernährung zu werben, um in „Bastian Zucchinisteiger“.

Am deutschen Wesen soll die Welt genesen. Unser Bildungssystem funktioniert übrigens genau umgekehrt wie der Fußball. Gute Noten bekommt man immer einfacher, Sitzenbleiben wird abgeschafft. Jeder kommt ins Finale. Weltmeister wird man allerdings nicht auf diese Art, egal, wie hoch der Bildungsetat ist.

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