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Harlem Désir:: „Die Regierung hat meine totale Solidarität“

Früher war Harlem Désir ein charismatische Nachwuchsstar, heute wirkt wie ein grauer Apparatschik. Zum Chef der französischen Sozialisten wurde er trotzdem gewählt. Ein Porträt

Zum Schluss ging es dann doch noch einigermaßen demokratisch zu. Mit großer Mehrheit wählten die französischen Sozialisten Harlem Désir zu ihrem neuen Parteichef. 72 Prozent der Stimmen entfielen auf den 53-jährigen Europaabgeordneten, 28 Prozent auf den einzigen Gegenkandidaten, den Vertreter des linken Flügels, Emmanuel Maurel. Die Bestätigung durch den Parteitag in Toulouse ist eine Formalie.

Seine Wahl zum Ersten Sekretär der Regierungspartei verdankt Désir einer Absprache der bisherigen Sozialistenchefin Martine Aubry mit Premierminister Jean-Marc Ayrault. 2008 war Aubry beim Parteitag in Reims unter tumultartigen Umständen an die Spitze der Partei gewählt worden. Nach dem Sieg François Hollandes bei der Präsidentenwahl im Frühjahr hatte sie ihre Absicht angekündigt, sich im Herbst von der Parteiführung zurückzuziehen. Ihren Schritt hatte sie jedoch davon abhängig gemacht, dass rechtzeitig ein geeigneter Nachfolger gefunden würde. Eine Zerreißprobe wie vor vier Jahren in Reims sollte es nicht wieder geben. Mit Ayrault guckte sie Désir aus. Unter Umständen, die von manchen als „nordkoreanisch“ kritisiert wurden, setzten sie seine Nominierung durch. Bereits im September stieg Désir zum interimistischen Parteichef auf.

Nennenswerten Widerstand gab es nicht. Fast alle „Parteielefanten“, wie die Schwergewichte der Sozialisten genannt werden, haben mit dem Wechsel in Regierungsämter ihre Funktionen in den Gremien aufgegeben. Mit Harlem Désir rückt somit eine neue Generation nach. Als Philosophiestudent an der Sorbonne hatte Désir, Sohn eines Lehrers aus Martinique und einer Kinderschwester aus dem Elsass, 1984 nationale Bekanntheit an der Spitze der vom damaligen Präsidenten Mitterrand geförderten Bewegung „SOS-Rassismus“ erlangt. Der Modemanager und Geldgeber der Bewegung, Pierre Bergé, lobte ihn als „Ehre für Frankreich“. Die verblasste etwas, als er wegen eines fiktiven Jobs auf Kosten der Steuerzahler eine Bewährungsstrafe erhielt.

Der charismatische Nachwuchsstar von einst wirkt heute wie ein grauer Apparatschik. Nach zwei erfolglosen Kandidaturen zur Nationalversammlung schaffte er 1999 den Sprung ins Europaparlament. An der Spitze der Partei hat er nun die schwierige Aufgabe, deren Flügel zusammenzuhalten und dem Premierminister den Rücken freizuhalten. Dazu ist er entschlossen: „Die Regierung hat meine totale Solidarität.“

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