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Meinung: Harte Fragen vor dem Ja

Warum die Union einen erweiterten Afghanistan-Einsatz kritisiert

Von Hans Monath

Leider kann man die schrille Attacke auf die Afghanistan-Politik der Regierung nicht als Verirrung eines ansonsten geachteten Politikers abtun: Aus bloßer Karrieresucht spiele Außenminister Fischer mit dem Leben deutscher Soldaten, hat der CDU-Europaparlamentarier Elmar Brok gewarnt und sofort scharfen Protest geerntet – aus der Koalition. Der Verdacht, hinter der Entscheidung zur Entsendung von Soldaten in die afghanische Provinz stünden letztlich andere als sachliche Gründe, ist in der Union weit verbreitet – auch wenn Brok mit seiner perfiden persönlichen Unterstellung allein steht. Wenn das Kabinett – vielleicht schon kommende Woche – Aufbauhelfer mit Bundeswehr-Schutzkomponente ins nordafghanische Kundus entsendet, wird die Opposition vor der Entscheidung im Parlament kritischer nachfragen als vor jedem anderen Auslandseinsatz.

Verdenken kann man das der Union nicht: Bei jedem Berlin-Besuch in den vergangenen Jahren haben Präsident Karsai und der UN-Afghanistan-Beauftragte Brahimi auf den Einsatz der Internationalen Schutztruppe Isaf außerhalb Kabuls gedrängt – und immer sagte Berlin Nein. Jetzt hat die US-Regierung um Ersatz für eines ihrer Aufbauteams gebeten – und plötzlich geht, was lange unmöglich war. Wofür braucht man deutsche Soldaten im friedlichen Kundus, die doch vielleicht in einer instabilen Region nützlicher wären? Und reichen einige wenige Aufbauteams aus, wenn nun doch das ganze Land stabilisiert werden soll?

Viel spricht dafür, dass die neue Bereitschaft zum Engagement in der Provinz auch ein Entgegenkommen an den US-Partner darstellt. Aber nicht der Schritt aus der Hauptstadt heraus ist falsch, das bisherige Beharren auf die Region Kabul war es. Denn wenn der Aufbau Erfolg haben soll, müssen auch die Herde von Instabilität in der Provinz beseitigt werden. Die Union verschließt sich der Einsicht, dass eine neue Strategie nötig ist, zu der die Mission in Kundus nur einen kleinen Beitrag leistet.

Vollends unglaubwürdig werden die konservativen Warnungen, wenn Unionspolitiker im gleichen Atemzug die Bundeswehr in den Irak schicken wollen: Der Aufbau nach dem Sturz der Taliban mag viel länger viel schwieriger werden, als sich das die Weltgemeinschaft gewünscht hat. Aber bevor das erste Geld floss und die ersten Soldaten aus Deutschland und anderen Nationen nach Kabul in Marsch gesetzt wurden, hatten im Dezember 2001 in Petersberg bei Bonn die verfeindeten Volksgruppen einem Fahrplan zugestimmt, der den Weg zu Aussöhnung und Stabilisierung beschreibt. Und die Isaf mag zwar durch Anschläge gefährdet sein, genießt aber höchstes Ansehen in der Bevölkerung. Von all dem kann im Nachkriegs-Irak keine Rede sein, die Invasoren dort werden als Besatzer, nicht als Helfer angesehen. Mit gutem Grund gilt deshalb bei Diplomaten der Kriegsgegner ein „Petersberg-type process“ (ein Vorgehen nach dem Vorbild der Afghanistan-Einigung) als Erfolg versprechendes Modell für den Irak.

Kein Zweifel: Eine Regierung, die ihre Soldaten nach Afghanistan schickt, setzt sie Gefahren aus – sowohl innerhalb wie außerhalb Kabuls. Wer wie manche Unionspolitiker aber die Zumutung neuer Risiken für die Bundeswehr ungeprüft als „Preis für das deutsche Nein zum Irak-Krieg“ ablehnt, gleichsam als Ausweichen vor der eigentlichen militärischen Aufgabe, muss schon beide Augen vor der Realität verschließen. Denn zur Ausweitung der eigenen Stabilitätsbemühungen am Hindukusch gibt es nur zwei Alternativen: Entweder kann die Weltgemeinschaft den fragilen Staat mitten im Übergang fallen lassen, damit islamistische Terroristen triumphieren und sich eine Basis zurückerobern. Oder aber, da weder die UN, die USA noch andere Akteure so viel Kleinmut aufbringen, kann Deutschland Afghanistan zum Problem anderer erklären, sich aus jeglicher außenpolitischen Berechenbarkeit verabschieden und damit auch den Spielraum und die Achtung preisgeben, die sich die Berliner Republik erworben hat.

Eine solche Forderung aber kann ungestraft nicht einmal die Opposition erheben – sie widerspräche auch der gesamten außenpolitischen Tradition, aus der die Union lebt. Trotz aller im Moment noch sehr berechtigten Nachfragen zum Konzept und zu den Details der geplanten Ausweitung spricht deshalb sehr viel dafür, dass am Ende im Bundestag zumindest auch eine Mehrheit der bürgerlichen Opposition sich zu der Fortführung der Anstrengung bekennt, die einmal fast der gesamte Bundestag befürwortet hat: zu der Aufgabe, im eigenen Interesse und gemeinsam mit vielen Partnern Afghanistan eine Chance zu geben.

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