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Meinung: Hat Josef Ackermann versagt?

„Ein Zwischenruf zu Josef Ackermann“ Ursula Weidenfeld über die notwendigen Charaktereigenschaften von Manager und Politiker vom 15. September Meist lese ich die Zwischenrufe von Ursula Weidenfeld mit Vergnügen.

„Ein Zwischenruf zu Josef Ackermann“ Ursula Weidenfeld über die notwendigen Charaktereigenschaften von Manager und Politiker vom 15. September

Meist lese ich die Zwischenrufe von Ursula Weidenfeld mit Vergnügen. Leider hat mir dieser den Blutdruck erhöht. Denn eine Ursache für das „Übersehen“ des Herannahens der Finanzkrise durch die ach so beschäftigten Bankenchefs sind ihre frustranen Pseudoaktivitäten,

anstatt sich hinzusetzen, zu informieren,

nachzudenken, vorzudenken und dann zu entscheiden. Dies Überall-und-nirgends-Sein ist kein Verdienst.

Hätte Herr Ackermann und seine Kollegen, Kolleginnen gibt’s auf dieser Ebene nur ganz ganz selten, vor zehn Jahren Stiglitz gelesen, hätte er realisieren können, dass da ein Kluger vor einer Finanzkrise warnt. Er hätte sich dann mehr als 30 Sekunden mit der Sache befassen können – sagen wir 700 Stunden – jede Stunde hätte so eine Billion Dollar erbracht. Hat er aus freien Stücken nicht gemacht, warum auch immer. Somit ist ihm nicht zu lobhudeln, da es zu seinen (selbstgewählten) Pflichten als Leiter eines wichtigen Geldinstitutes gehört, Geldvernichtung vorherzusehen und dem vorzubeugen.

Politik läuft anders, schwieriger, da sind die Freiheiten, sich seine Arbeit zu gestalten, durchaus begrenzt. Trotzdem muss die Zeit zum Reflektieren und Vordenken bleiben.

Prof. Dr. Cornelius Frömmel, Göttingen

Sehr geehrter Herr Frömmel,

Sie verlangen sehr viel von einer Führungspersönlichkeit, aber im Grunde haben Sie recht. Sie verlangen viel, weil Sie von einem Unternehmenschef erwarten, über den Rand des eigenen Unternehmens hinaus zu denken und zu handeln. Das widerspricht dessen täglicher Routine und seiner beruflichen Sozialisation. Führungskräfte sind darauf gedrillt, den Vorteil des eigenen Unternehmens zu suchen. Die Anerkennung, die sie erfahren, bemisst sich denn auch letztlich am Erfolg für das eigene Unternehmen. Folglich ist es nicht überraschend, wenn sie ihr Handeln an diesen Maßstäben ausrichten.

Für den Banker Josef Ackermann heißt dies, dass er vor allem anderen das Wohl der Deutschen Bank im Auge hatte. Sein Antrieb war, die Bank zu einem relevanten Global Player mit hoher Rentabilität zu machen. Diesem Ziel hat er alles andere untergeordnet; schließlich wurde er genau hierfür bezahlt und in seiner „Szene“ bewundert.

Was Sie fordern, ist, dass der Chef der Deutschen Bank nicht nur an die Interessen der Deutschen Bank denkt, sondern auch an die gesamtwirtschaftlichen Bedingungen seines Handelns. Dann hätte er sich in der Tat mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob die Richtung, die der Finanzsektor im Verlauf des vergangenen Jahrzehnts eingeschlagen hat, tragfähig ist. Wäre er bei der Suche nach einer Antwort auf Joseph

Stiglitz gestoßen, hätte er ein klares Nein vorgefunden. Stiglitz hätte ihm erklärt, dass der gesamte Finanzsektor auf tönernen Füßen steht. Der wesentliche Grund hierfür ist, dass im Finanzsektor etwas versucht wird, was in der Summe unmöglich ist, nämlich mit wenig Geld durch Geld viel Geld zu verdienen. Warum dies nicht funktioniert, lässt sich besonders gut am Beispiel der Deutschen Bank und Herrn Ackermann erläutern. Er ist damit aufgefallen, ein Renditeziel von 25 Prozent für die Bank einzufordern. Dies ist nur erreichbar, wenn mit einem hohen Anteil an Fremdkapital gearbeitet wird und mit der Anlage zugleich eine Rendite erzielt wird, die die Kosten des Fremdkapitals entsprechend weit übersteigt. Insbesondere muss diese Rendite weit über dem langjährigen Durchschnitt dessen liegen, was außerhalb des Finanzsektors erwirtschaftet wird. Und das geht auf Dauer nicht. Es bedeutet nämlich, dass der Finanzsektor auf Dauer die Realwirtschaft ausbeutet und ihre Rendite schmälert. Dann aber unterbleiben Investitionen in neue Produkte und Produktionsverfahren oder auf neuen Märkten. In der Folge lässt die Wirtschaftsdynamik nach und dies wiederum schwächt dann auch die Finanzmärkte. Ihre Anlagen werden unrentabel. Sind diese sogar überwiegend schuldenfinanziert, gerät die Existenz einer Bank ganz schnell in Gefahr. Schon der Anschein genügt, um eine panikartige Flucht aus den Einlagen einer solchen Bank auszulösen. All dies ist geschehen und auch die Deutsche Bank hat statt satter Gewinne in dieser Krise herbe Verluste hinnehmen müssen. Herr Ackermann hätte also letztlich auch seiner eigenen Bank einiges ersparen können, wenn er denn die Grenzen engen einzelwirtschaftlichen Denkens überschritten hätte.

Aber er hätte dazu die Grundlagen des sogenannten Investment Bankings infrage stellen müssen. Diese Sparte des Bankwesens dient dazu, über Anlagen am Finanzmarkt mit hohen Risiken hohe Erträge zu erwirtschaften. Darin war die Deutsche Bank vor der Finanzmarktkrise durchaus erfolgreich; sie erzielte auf diese Weise das Gros ihrer Gewinne. Die Erkenntnis mangelnder Tragfähigkeit hätte also von Josef Ackermann verlangt, seine ertragreichste Sparte in ihrem Aktionsradius zu beschneiden.

Berücksichtigt man die persönlichen und sozialen Deformationen, die Ursula Weidenfeld in ihrem Artikel so plastisch beschreibt, war dies schlicht nicht zu erwarten. Aber dies ist genau der Grund, warum ich diese Deformationen nicht so positiv, oder besser: gelassen, sehen kann wie die Autorin. Am Ende des Tages rächt es sich sowohl für die gesamte Wirtschaft als auch für das einzelne Unternehmen, wenn sozial deformierte Unternehmensführer nur in engen Grenzen denken.

— Prof. Dr. Gustav A. Horn, Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung

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