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Meinung: Hebammen der Freiheit

Bushs Zivilkorps ist ein Versuch, aus Fehlern früherer Demokratisierungs- versuche zu lernen

Von Caroline Fetscher

Freiheit wirkt ansteckend. Vom Kaukasus nach Zentralasien, vom Irak und dem Libanon bis Ägypten und Marokko springt der Funke über. Seit anderthalb Jahren suchen und finden Bevölkerungen Symbole und Farben ihrer Demokratisierung, Rosen, Orange, Zedern, Tulpen. Auf den Sofas vor der Fernsehbühne gucken wir Westeuropäer zu. Mal drücken wir den Leuten im kalten ukrainischen Winter die Daumen, mal murmeln wir in dubiosem Tonfall „Pech gehabt“, etwa wenn im heißen Irak Terrortäter ihre Sprengsätze in den Aufbau werfen.

Ja. Vieles läuft schief. Auf der Straße zur Freiheit gibt es Schlaglöcher und Felsbrocken. Die USA, sagte Präsident Bush unlängst in einer Rede in Washington, lernen aus ihren Fehlern. Transformation, räumte er ein, schaffe nahezu immer ein Machtvakuum. Im Sog dieses Vakuums breiten sich Konfusion und Korruption aus, Zorn zeigt sich im Widerstand derer, die durch Freiheit ihrer Macht und Pfründen verlustig gehen. Während es relativ einfach ist, Truppen zusammenzutrommeln und einen Diktator vom Thron zu stoßen, ist es weitaus schwieriger, jungen Demokratien zum Erfolg zu verhelfen. Bush räumte in dieser Rede auch ein: „Wir konzentrieren uns heute auf den Mittleren Osten, weil wir begriffen haben, dass 60 Jahre westlicher Kompromisse und Entschuldigungen für das Freiheitsdefizit in dieser Region nichts dazu beigetragen hat, uns mehr Sicherheit zu verschaffen.“

Aber Freiheit, ob als Exportprodukt oder als Eigenbau, braucht Leute, die deren Gebrauchsanleitung mitliefern. Darum hat die amtierende US-Regierung, der die Aufbauhilfe für andere Staaten bei ihrem Amtsantritt noch suspekt war, im State Department ein „Office of Reconstruction and Stabilization“ eingerichtet, unter Leitung des Diplomaten Carlos Pascual. Wo immer neue Demokratien ans Licht drängen, sollen zivile Experten zum Soforteinsatz bereit sein, als „Active Response Corps“, eine Hebammen-Crew für die Kinder der Freiheit, Teil einer Art globalen Genesungsprogramms.

Bush hat damit nicht nur präziser als je zuvor den Weg zur Demokratisierung der Welt skizziert. Umgekehrt benannte er auch einen der bisher größten Mängel auf diesem Weg. Ob andere Demokratien den Druck oppositioneller Flugblätter finanzieren oder ob sie als aktive, militärische Interventionskraft autoritäre Regime beseitigen - bei der Stunde Null in den Ländern, die sich als Demokratie neu erfinden wollen, begehen UN wie USA, Europas Bürokraten wie auch Nichtregierungsorganisationen nach wie vor Fehler über Fehler. Im Kosovo wie in Afghanistan, in Bosnien wie im Irak schleppen die neuen Institutionen, Medien, Wirtschaft, Justiz, Schulen, Behörden Altlasten mit sich oder kommen erst gar nicht auf feste Füße. Im Westen wird bisher nirgends, in keiner Institution, an keinem Ort, das kostbare Know-how vorheriger Erfahrungen systematisch gesammelt, archiviert und weitergereicht.

Längst müsste das mit aller Kraft passieren, als gemeinsame Anstrengung aller Demokratien, diesseits und jenseits des Atlantik. Aber an nationalen Egoismen der Akteure, besonders im derzeit amerikafeindlichen Europa, droht zu scheitern, was Amerikas Regierung der Welt mit so viel Recht wünscht. Nur deshalb verhallt Bushs Rede hier nahezu ohne Echo. Was wäre, hätte Bill Clinton sie gehalten? Auch Westeuropa würde wohl die Hand über den Atlantik reichen. Es ist mehr als albern, eine Medizin nicht zu nehmen, weil einem die Nase des Doktors nicht passt. Es ist unverantwortlich.

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