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Meinung: Heerführer Blair

Angeklagt werden nur drei Soldaten – doch auf dem Spiel steht der Ruf der britischen Armee

Einst wollte Tony Blair mit seiner kleinen und mutigen britischen Armee Frieden und Gerechtigkeit in der Welt schaffen. Mit gewappneter Faust wollte der Brite die Welt verbessern. Ethische Außenpolitik und militärischer Interventionismus sollten für eine gerechte Welt sorgen. Erst auf dem Balkan, dann in Sierra Leone, in Afghanistan und im Irak und warum nicht demnächst auch in Sudan, zum Beispiel. Das britische Militär als Glücksbringer. Einer von Blairs Beratern, Robert Cooper, beschrieb das Konzept einst als „liberalen Imperialismus“. Er habe im Irak das Richtige getan, sagte Blair und führte erst die Geschichte, dann sein Gewissen und schließlich den lieben Gott als Zeugen dafür an.

Nun scheint das alles lange her. Folterfotos gehen um die Welt, auf denen die britische Fahne zu sehen ist. Im Parlament musste sich Blair entsetzt und ein wenig beschämt zeigen. Alles klingt ein bisschen vorsichtiger. Präsident Bush habe dazugelernt, kommentierte Blair aus Anlass der Inauguration des transatlantischen Freundes. Militärische Gewalt möge gegen Terror taugen, für das friedliche Zusammenleben der Völker erreiche man mehr mit Demokratie und Menschenrechten. Hat Blair im Stillen auch an sich selber gedacht, an den Osnabrücker Soldatenprozess und die Vorgänge im britischen Camp Breadbasket, als er das dem „Guardian“ sagte? Muss auch er dazulernen? Zugeben würde Blair das natürlich nie.

Für viele sind die Lektionen aus diesen Folterbildern klar – lange bevor das Tribunal zu seinem Urteil gegen die drei Soldaten gekommen ist und wir wissen, ob auch höhere Chargen noch ihr Stück Verantwortung tragen müssen. Kriegsgegner, viele davon in Großbritannien, noch mehr in Deutschland und Frankreich, wussten ja von Anfang an, dass der Krieg auf jeden Fall schief geht. Andere, die den Krieg befürwortet oder seine Logik akzeptiert haben, müssen mit ihrem Urteil vorsichtiger sein. Dazu gehört, zum Glück für Blair, immer noch das politische Großbritannien, angeführt von der konservativen Partei. Mögen heute alle entsetzt sein über die Inkompetenz und Blauäugigkeit der Koalitionstruppen und ihre schlechte Vorbereitung. Das Blair anzulasten, dürfte ihnen schwer fallen, haben doch auch sie für den Krieg gestimmt. Da wird sich „Teflon Tony“ ohne Schwierigkeit in Sicherheit bringen.

Den schwarzen Peter hält die britische Armee. Sie bescheinigte sich bisher gerne, es besser und anders zu machen als die Amerikaner. Britische Politiker, sogar Großbritanniens Nachbarn bescheinigten den Briten in der Regel bereitwillig das Mehr an Klugheit, Kompetenz, Führungsstärke und „europäischer“ Umsicht – und sei’s nur, um von den amerikanischen Rabauken abzurücken. Großbritanniens Diplomaten schlugen aus diesem Bonus auch in der europäischen Politik gerne Kapital. Doch nun schmilzt dieser Vertrauensvorsprung für Blairs kleine, überforderte und trotz ihrer Leistungen durch Haushaltskürzungen gebeutelte 100 000-Mann-Armee dahin. Mögen in Osnabrück drei Soldaten angeklagt sein, auf dem Spiel steht der Ruf der ganzen Truppe.

Hier nun wird es für Blair doch bedenklich. Schnelle, rigorose und vor allem schonungslose öffentliche Aufklärung und Schadensbekämpfung sind nicht nur nötig, um den Ruf der britischen Streitkräfte zu retten und nicht nur, weil es die Briten ihm nicht verzeihen würden, wenn er die geliebte Armee durch Überstrapazierung im Irak ruiniert. Es geht hier ja auch um Blairs liebstes politisches Instrument. Die Vorfälle im Camp Breadbasket und in Abu Ghraib stellen ja nicht die Fähigkeit des Westens zur Kriegführung im Irak in Zweifel, sondern die, den Frieden zu bringen.

Matthias Thibaut

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