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Meinung: Heiligenschein für Scheinheilige

Die Kirchen äußern sich zum Krieg – die Öffentlichkeit hört nur das Nein

Joschka Fischer beim Papst, evangelische Kirchenführer beim Kanzler: Mit einem Mal sind die Kirchen offenbar auch für solche Politiker wichtig, die sich sonst um deren Mahnungen kaum einen Deut scheren, weder beim Paragraphen 218 noch bei der Gentechnologie. Unseren Staatsmännern geht es vornehmlich um die momentane Nützlichkeit und um den geborgten Heiligenschein über einer handwerklich verfahrenen Politik. Den Kirchen hingegen geht es um den Frieden – auch wenn diese deutsche Politik zu seiner Rettung so gut wie nichts mehr beitragen kann. Parallelen, die sich allenfalls im Unendlichen berühren!

Im übrigen können die Kirchen machen, was sie wollen, sie werden so oder so kritisiert: Die einen halten ihnen vor, sie predigten nur weltfremde Friedensworte, die anderen murren, wenn Kirchenvertreter ihre Predigt in praktische Politik zu übersetzen versuchen. Die einen verlangen fundamentale Eindeutigkeit, am liebsten ein Nein ohne jedes Ja, ohne jede verräterische Differenzierung. Anderen wiederum ist jede kirchliche Äußerung viel zu undifferenziert.

Die Medien messen zumeist nur ab, wer am entschiedensten protestiert. Und: Evangelische oder Katholiken? Sorgfältige Erklärungen wie die des Rates der EKD werden kaum vollständig referiert. Selbst von der päpstlichen Neujahrsbotschaft werden nur die Hauptsätze, nicht aber die präzisierenden Nebenbemerkungen wahrgenommen. Diese Medien verhalten sich also genau wie die Politik: Nützlich ist, was Furore macht.

Natürlich müssen Kirchen zum Frieden mahnen, was denn sonst? (Die Zeiten des christlichen Waffensegnen sind ja wohl endgültig vorbei.) Sie können schlechterdings keine Beihilfe leisten bei der Suche nach einem „gerechten Krieg", sondern nur eindringlich für einen gerechten Frieden werben. Das aber heißt beides: Gerechtigkeit und Frieden. Was aber, wenn man es mit Mächten zu tun bekommt, die weder Gerechtigkeit noch Frieden wirken – was beim Irak auch dann der Fall ist, wenn man die amerikanische Politik hier und jetzt für falsch hält?

„Widerstehet nicht dem Übel mit Bösem!" Diese biblische Mahnung ist gewiss eine christliche Option – für das Individuum. Sie ist aber ebenso gewiss keine politische Option. Wehrlos das Leiden am Übeltäter übernehmen, das kann nur der Einzelne für sich selbst. Von anderen verlangen kann er es nicht. Er hat sie vielmehr vor dem Leiden unter Bösewichten zu bewahren. Deshalb ist die gesamte Kirchengeschichte (in ihren besseren, den friedfertigen Abschnitten) geprägt vom Dilemma zwischen der prinzipiellen Gewaltlosigkeit und der praktischen Abwehr von Gewalt.

Was also bleibt? Das ist nicht so wenig wie es aussieht – nämlich ein strenges Ensemble von Verboten und Forderungen: Krieg als Mittel der Eroberung und Interessenausweitung scheidet kategorisch aus. Allenfalls als Ultima Ratio darf er gewagt werden, wenn in der Notwehr und Nothilfe wirklich gar nichts anderes mehr hilft. Aber nicht zur bloß angeblichen Prävention, zum Sturz unliebsamer Regime, zum Zweck der Selbstbehauptung als Großmacht …

Wenn die Kirchen ihren Friedensauftrag ernst nehmen, werden sie diese strengen Kritierien allen Konfliktbeteiligten unparteiisch und streng vorhalten, wie zum Beispiel der Papst dem Irak. Jede Einäugigkeit entwertet nämlich das ganze Reden. Aber wenn Kirchenleute ihre Predigt so direkt an die Praxis anlegen, gehen sie zugleich die Verpflichtung ein, auch politisch so sachkundig wie eben möglich zu urteilen. Frömmigkeit ist keine Lizenz zur Naivität.

Und der liebe Gott? Der kommt in solchen Fragen allenfalls mit der Vater-unser-Bitte ins Spiel: Vergib uns unsere Schuld! Wenn aber Präsident Bush verkündet, Amerika habe einen gottgegebenen Auftrag, die Demokratie in der Welt auszubreiten, dann ist das zwar noch kein Fundamentalismus, aber doch eine Blasphemie, nämlich eine Sünde wider das zweite Gebot: Du sollst den Namen Gottes nicht unnütz im Munde führen!

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