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Meinung: Helft dem Dalai Lama!

Die Aufhebung des EU-Waffenembargos gegen China schadet Tibet Von Richard Gere

In Europa und in den USA wird zurzeit eine Debatte geführt über eine Frage, die von großer Bedeutung ist für all jene, die sich Sorgen über Unterdrückung und Menschenrechte in China und Tibet machen. Ich meine die Debatte über das europäische Waffenembargo gegen China.

Seit ihrer Gründung im Jahre 1988 hat die International Campaign for Tibet sich bemüht, eine friedliche Lösung für das Problem der fortdauernden Besetzung Tibets durch China zu finden – durch Verhandlungen zwischen chinesischen Politikern und dem Dalai Lama, dem Friedensnobelpreisträger von 1989. Nun ist die TibetFrage an einer kritischen Wegscheide angekommen. Nach Jahrzehnten des Stillstands haben 2002 neue Gespräche zwischen dem Gesandten des Dalai Lama, Lody Gyari, und Peking begonnen. Nach Ansicht von Lody Gyari handelte es sich bei der letzten Runde 2004 um den bisher ernsthaftesten Austausch. Es ist unwahrscheinlich, dass diese Gespräche stattgefunden hätten, wenn es die internationale Besorgnis über Tibet und die starke Unterstützung für den Dalai Lama nicht geben würde, eines Mannes, dem ein Platz in den Annalen unserer Zeit sicher ist, als eines Botschafters des Friedens, der Gewaltfreiheit und der universalen Schwester- und Brüderlichkeit.

Das ist ein Neubeginn für das chinesische Volk und die chinesische Regierung. Eine faire Vereinbarung mit den Tibetern kostet die chinesische Regierung nichts; tatsächlich würde sie ihre Position aufwerten, zu Hause wie international. Wie der Dalai Lama seit Jahrzehnten immer wieder sagt, geht es nicht um tibetische Unabhängigkeit von China, sondern um echte Autonomie innerhalb der staatlichen Struktur eines souveränen, aber wohlwollenden China. Die Ziele widersprechen sich nicht zwangsläufig. Und Tibets Hoffnung ist nicht unvernünftig oder unerreichbar; man denke nur an Hongkong.

Mehr denn je muss Peking jetzt europäischen Druck zu spüren bekommen, damit die Gespräche fortgesetzt werden. Europas wichtigstes Druckmittel ist das Waffenembargo, das nach den Geschehnissen von 1989 auf dem Platz des Himmlischen Friedens verhängt wurde. Sechzehn Jahre später hat China nichts wesentlich geändert an der Menschenrechtslage, die zum Embargo führte. Viele der Demonstranten von 1989 sitzen im Gefängnis. In Tibet selbst sind Meinungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit stark eingeschränkt. Diese Bilanz sollte nicht belohnt werden.

Der EU-Verhaltenskodex für Waffenhandel enthält Anforderungen bezüglich der Menschenrechte. Dennoch soll das Embargo gegen China aufgehoben werden. Warum will China neue Waffen? China setzt gerade ein Anti-Sezessions-Gesetz in Kraft, das erlaubt, Taiwan anzugreifen, falls man dort weiter in Richtung Selbstständigkeit geht. Das Gesetz ergibt erst seit kurzem einen Sinn: seit China die Fähigkeit besitzt, eine Invasion über die Straße von Formosa hinweg durchzuführen. Peking hat Milliarden von Dollar in den Kauf von Unterseebooten, Zerstörern und anderen Waffen investiert. Die Aufhebung des Embargos dürfte diese Einkaufstour beschleunigen und einen noch massiveren Angriff auf Taiwan ermöglichen.

Wenn das Embargo hingegen aufrecht erhalten wird,so übt das einen starken Druck aus, zu einer Lösung in der Frage Tibets zu kommen und auch darauf, die Stabilität andernorts zu wahren. Zudem liegt der Schlüssel zu Tibets Selbstbestimmung in Chinas Umwandlungsprozess. Als Unterstützer Tibets müssen wir auch beachten, welche Veränderungen in China heute vor sich gehen: seine wachsende Gewandtheit und sein zunehmender Einfluss in der Welt, der Wunsch des chinesischen Volkes nach Fortschritt. Wir dürfen Chinas Bestrebungen nach Größe nicht übersehen.

China möchte die Beziehung zu Europa verbessern. Europas Regierungen müssen China daher deutlich auffordern, substanzielle Verhandlungen mit dem Dalai Lama über Tibet in Gang zu bringen. Europäische Führung kann in dieser Sache eine zentrale Rolle für den Schutz tibetischer Identität und Kultur spielen, und zugleich die Bemühungen derer würdigen, die sich für eine gewaltfreie Lösung einsetzen.

Heute können die Bürger Europas, die ihre Vorfahren, die Widerstand gegen Unrecht geleistet haben, ehren, diesem Erbe erneut dienen: indem sie dem Dalai Lama dabei helfen, einer Lösung zu widerstehen, derzufolge die Zukunft Tibets allein von Pekings Interessen bestimmt wird. Aber um es klar und deutlich zu sagen: Es geht um nichts Geringeres als um das Überleben der tibetischen Kultur, des tibetischen Volkes. Europa kann den Weg zum Frieden in Tibet weisen, indem es den Dalai Lama energisch unterstützt. Wir, die Bürger der Welt, haben gezeigt, dass wir Einfluss haben. Die Weltmeinung spielt sehr wohl eine Rolle. Jetzt ist es an der Zeit für die Europäer, aufzustehen und Farbe zu bekennen. Weil es darum geht, das Richtige zu tun.

Der Autor ist Gründungsvorsitzender der Organisation Tibet House in New York und Vorsitzender der Internationalen Kampagne für Tibet www.savetibet.org.

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