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Meinung: Hilflos gegen die schwarze Flut Bei hohem Seegang ist

die Ölpest kaum zu bekämpfen

Von Alexander S. Kekulé

WAS WISSEN SCHAFFT

Die Bilder von der „Prestige“ erscheinen merkwürdig vertraut: Ein Tanker havariert in Küstennähe, einige Tonnen Öl laufen aus, der Kapitän wird verhaftet. Spezialschiffe eilen herbei und versuchen, den Havaristen leer zu pumpen und den Ölteppich zu begrenzen. Doch starke Strömung und Seegang bringen die Rettungsaktion zum Scheitern, der Tanker bricht auseinander und sinkt, eine gigantische Ölpest bedroht die Küsten. Seit der Supertanker „Amoco Cadiz“ 1978 vor der Bretagne sank und die bis dahin schwerste Ölkatastrophe auslöste, haben sich etwa 15 vergleichbare Unfälle ereignet. Jedes Mal sehen die Menschen hilflos zu, wie das Öl die Tierwelt vergiftet, Naturschutzgebiete zerstört und Fischer in ihrer Existenz bedroht.

Dabei ist das Entfernen einer schwimmenden Ölschicht gar nicht so schwierig. Die nahe liegende Idee, das Öl einfach abzufackeln, funktioniert allerdings nur unmittelbar nach der Havarie, da die leicht brennbaren Bestandteile des Öls schnell verdunsten. Kleinere Ölfilme können mit Sägemehl, Sand oder Kunststoffpartikeln aufgesogen oder mit gelierenden Chemikalien in eine gummiartige, schwimmende Masse verwandelt werden. Neuerdings werden auch Bakterien eingesetzt, die den klebrigen Ölfilm als Delikatesse verspeisen. Mit größeren Mengen werden mechanische „Skimmer“ fertig, die auch dicke Ölschichten abschöpfen, absaugen oder durch fettanziehende (lipophile) Kunststoffriemen aus dem Wasser ziehen.

Zur Entfernung des Ölteppichs der „Prestige“ bei schwerem Wetter taugt jedoch keines dieser Verfahren: Absorbierende Stoffe saugen sich bei Seegang mit Wasser voll und gehen unter. Gelierungsmittel funktionieren unter diesen Bedingungen zwar besonders gut, da die raue See für eine gute Durchmischung sorgt – allerdings sind sie für große Mengen ungeeignet, da für die chemische Reaktion ein Mehrfaches des Ölvolumens zugesetzt werden muss. Bakterien brauchen ohnehin ziemlich lange, bei den derzeit kalten Wassertemperaturen des Atlantiks verschlägt es ihnen vollends den Appetit.

Aber auch die mechanischen Skimmer, die für den Einsatz auf hoher See eigentlich am besten geeignet sind, versagen bei starkem Seegang. Ihre beweglichen Aufhängungen können Wellenhöhen bis etwa 1,5 Meter ausgleichen, darüber fördern sie mehr Wasser als Öl aus dem Meer. Mit höheren Wellen kommt ein katamaranähnliches Spezialschiff zurecht, bei dem das ÖlWassergemisch unter das Boot gedrückt wird. Der an der TU Berlin entwickelte Super-Ölschlucker hat jedoch einen Nachteil: Er existiert nur im Modell – Geldgeber für eine Realisierung sind nicht in Sicht.

Bei Windstärke acht und bis zu sechs Meter hohen Wellen, in denen die „Prestige“ im Atlantik gestern früh auseinanderbrach, wäre jedoch auch die modernste Technik überfordert. Unter diesen Bedingungen bildet sich die gefürchtete „Mousse au Chocolat“: Öl und Wasser verbinden sich zu einer stabilen Wasser-in-Öl-Emulsion, die als zäher Schaum monatelang in der Umwelt überdauern kann.

Angesichts der ausweglosen Lage haben die spanischen Behörden – trotz der lautstarken Kritik von Umweltorganisationen – richtig entschieden, die leckgeschlagene „Prestige“ so weit wie möglich von der Küste wegschleppen zu lassen. So besteht immerhin die Chance, dass der Sturm den Ölteppich ins Meer mischt, bevor er die 200 Kilometer entfernte Küste erreicht. Die Iberer sind deshalb gut beraten, zum Meeresgott Poseidon zu beten: Für möglichst schlechtes Wetter.

Der Autor ist Direktor des Instituts für Mikrobiologie an der Uni Halle. Foto: J. Peyer

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