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Meinung: Hinter der Fassade

Stoibers glänzendes Ergebnis beim CSU-Parteitag – und ein Rollenproblem

Nervös wie selten sei Stoiber vor diesem Parteitag gewesen, berichten Gewährsleute. Das erstaunt. Der CSU-Chef wusste, dass ihn die Delegierten mit einem grandiosen Ergebnis bestätigen würden. Und bei der bevorstehenden Landtagswahl hat der Ministerpräsident nichts zu befürchten, noch nicht mal einen Koalitionspartner. Seine Partei befindet sich in einer Verfassung, in der sie, wie man in Bayern spöttelt, vor Kraft fast schon nicht mehr laufen kann. Bei der Bundestagswahl im vorigen Jahr hat die CSU noch einmal um fast sechs Prozent zugelegt. Gewiss, die Messlatte liegt nun in schwindelerregender Höhe. Was tut das schon, wenn es, ohne Kanzlerkandidatenbonus, ein paar Stimmen weniger werden? 50 Prozent plus x sind anvisiert, und die werden es allemal. Wovor sollte sich ein Stoiber fürchten?

Zunächst einmal ist er misstrauisch. Die Demoskopen haben schon einmal daneben gelegen, als sie ihm die Kanzlerschaft in Aussicht stellten. Vor allem aber hat der Unions-Primus ein Rollenproblem vor der Landtagswahl. 1998 noch konnte er seinem Wahlvolk das versichern, was es hören wollte und immer zu hören bekam: dass für ihn „zuerst Bayern, dann Bayern und dann noch mal Bayern“ kommt. Das geht so nicht mehr. Seit seinem Aufbruch in die Bundespolitik muss er sich spreizen - zwischen Staatsmann und Stammtisch, gesamtdeutschem Gemeinwohl und bayerischem Mir san mir. Statt zu polarisieren, muss der CSU-Chef vermitteln unter selbstbewusster gewordenen Unionsfürsten. Und die Vorsitzende der Schwesterpartei loben. Die er selber zu respektieren gelernt hat, von der die Mehrheit seiner Parteifreunde aber immer noch meint, dass sie es nicht kann.

Eine politische Metamorphose hat Theo Waigel den Kurswechsel anlässlich Stoibers Kanzlerkandidatur genannt. Alles, wofür man bislang gefochten habe, müsse seither mit anderen Augen gesehen, mit anderem Tenor vertreten werden. Föderalismus und leistungsgerechter Finanzausgleich, Sozial- und Europapolitik. Von der Straußschen Sonthofen-Strategie – zusehen, wie andere den Karren in den Dreck fahren und daraus dann politisch Profit schlagen – ist keine Rede. „Rumpeln muss es“, hat Staatskanzlei-Chef Huber einmal gesagt. Jetzt sagt er: „Wir haben nicht vor, das Vorziehen der Steuerreform scheitern zu lassen.“ Die CSU ist in der Pflicht – und verliert an Kontur.

Das ist bedenklich. Denn das Kapital der CSU war immer ihre Sonderrolle. Und schon zeigt es sich: In den Raum, den Stoiber frei gibt, drängen andere.

Horst Seehofer zum Beispiel. Mit feinem Gespür übernimmt der CSU-Vize die Rolle, in der sich die CSU-Granden seit jeher gefielen: volksnah, unverbogen und ruppig, dabei bauernschlau und auf das Wohl des kleinen Mannes bedacht. Zweimal hat Seehofer in diesem Jahr seinem Vorsitzenden, den er ironisch den „lieben Gott“ nennt, die Stirn geboten. Geschadet hat es ihm nicht. Die verhaltene Abstrafung bei den Vorstandswahlen entsprang eher Parteitagskalkül als Neigung. Auch Stoiber wusste, dass er seinem Sozialexperten die Unbotmäßigkeit durchgehen lassen musste. Als Chefunterhändler in den Gesundheitsverhandlungen ist er zwar als Kritiker erst einmal kalt gestellt. Seehofer hat als soziales Gewissen Punkte gemacht, seine nächste Attacke gegen Stoiber, Merkel oder Merz wird nicht auf sich warten lassen.

Der andere, der sich im unversehens entstandenen Vakuum breit macht, ist Roland Koch. Nicht der Bayer, sondern der Hesse tanzt beim Thema Steuerreform aus der Reihe. Nicht Stoiber, sondern Koch verhandelt mit dem NRW-Sozi Steinbrück über Subventionskürzungen. Stoiber beschimpft den Hessen, der ihm politisch näher steht als manch anderer in der Union. Souverän ist das nicht gerade. Der Machtmensch Stoiber spürt, dass ihm etwas zu entgleiten droht.

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