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Hochschulmedizin: Kampf um die Krankenhäuser

Die Lösung für die Berliner Hochschulmedizin ist bescheiden – aber besser als keine.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Es sieht so aus, als ob eine zwanzig Jahre währende Diskussion über die Berliner Hochschulmedizin jetzt zu einem Ergebnis führte: Schon seit Anfang der 90er Jahre wird ohne Schonung des Gegners darüber gestritten, ob alle großen Klinikstandorte im Zentrum, im Norden und Südwesten der Stadt ihre Daseinsberechtigung haben. Ein Streit, der selten sachgerecht geführt wurde, sondern ideologisch verbrämt und unter dem Eindruck hoher Kosten, die die Berliner Kasse überlasten.

Zudem entwickelte sich zwischen der Charité und dem kommunalen Krankenhauskonzern Vivantes eine ungesunde Konkurrenz um regionale Standorte, materielle und personelle Ressourcen und Bettenzahlen – obwohl beide landeseigenen Unternehmen ganz unterschiedliche Rollen haben. Die Charité als weltweit ausstrahlender Leuchtturm medizinischer Forschung und Lehre; Vivantes als Instrument einer flächendeckenden staatlichen Gesundheitsversorgung. Um beides beneiden uns andere Städte, nicht nur in Deutschland. Die Gesundheitsbranche gehört längst zu den wirtschaftlichen Lebensgrundlagen Berlins.

Diesem Anspruch wird die Debatte seit dem Mauerfall aber nicht gerecht. Denn die jeweils regierenden Parteien, die schon zu Zeiten der großen Koalition unter dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen über Strukturreformen feilschten, ließen sich in erster Linie von Ost-West-Befindlichkeiten leiten. Union, FDP und Teile der SPD stellten sich stets schützend vor das Benjamin-Franklin-Klinikum im alten Westen und waren zeitweise sogar bereit, notfalls die Charité im alten Osten zu schleifen. Die Linke hielt entschlossen dagegen, teilweise auch die Grünen. Es kam, wie es kommen musste: fast alles blieb, wie es war.

Über Synergieeffekte und Einsparungen durch eine vernünftige Kooperation der Klinika und Krankenhäuser wurde zwar immer gern geredet. Aber eben nur geredet. Bedarfsanalysen, wie viele Betten und medizinische Spezialeinrichtungen für welche Kranken in welchen Teilen Berlins wirklich gebraucht werden, verschwanden nicht selten in der Schublade. Auch die Sanierung, Modernisierung und der Neubau von Forschungsstätten und Bettenburgen folgte keinen rationalen Langfristplänen, sondern eher dem Motto: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst und wer am lautesten schreit, wird zuerst bedient.

Derweil fordern Charité und Vivantes weit über eine Milliarde an Sanierungsmitteln. Geld, das Berlin nicht hat und deshalb tat Finanzsenator Ulrich Nußbaum das einzig Richtige: Er stellte ein Stoppschild auf. Kein neues Bettenhochhaus für die Charité; keine zusätzlichen Mittel für Universitätsmedizin und Krankenhäuser ohne ein Gesamtkonzept. Jetzt werden die Umrisse neuer Strukturen deutlich: Die großen Standorte bleiben, auch das Benjamin Franklin, aber die Krankenversorgung wird – vor allem im Südwesten Berlins – umgebaut. Die Investitionen werden gestreckt und Vivantes bleibt in kommunaler Hand. Eine pragmatische, bescheidene Lösung, aber besser als keine.

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