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Meinung: Hoppla, der Kanzler ist eine Frau

Mit Angela Merkel wird man(n) so schnell nicht fertig

Von Charima Reinhardt Nun soll es also wahr werden: Deutschland wird bald von einer Frau regiert! Noch ist es nicht so weit, noch bleiben einige Wochen der Eingewöhnung – am Ende aber führt an der Tatsache kein Zweifel mehr vorbei. Angela Merkel wird als Kanzlerin die Geschicke der Bundesrepublik Deutschland lenken. Frau und ostdeutsch obendrein, da sage noch einer, die Deutschen seien nicht zu Revolutionen fähig, die zweite friedliche gar in weniger als zwei Jahrzehnten.

Die politische Klasse jedoch – unterdessen schon gefasster – tat sich schwer, gab sich ratlos, zuweilen taktlos. Eine konservative Politikerin, gemessen an alten PolitHaudegen fast ein Neuling im Metier, wird Kanzlerin! Ohne richtige Frauenquote, mit eher minimalem CDU-„Stallgeruch“, nie verdiente Ministerpräsidentin in einem Bundesland. Ausgerechnet diese! Unproblematisch, solange es nur als Möglichkeit durch die Köpfe schwebte. Seit dem Wahlkampf, erst recht aber seit dem Abend des 18. September sah sich Angela Merkel einer unangenehmen Mischung aus schleimerischer Ranschmeiße und perfider Anfeindung ausgesetzt. Einen Höhepunkt erreichte das unwürdige Spiel im öffentlich ausgetragenen Streit um ihre Richtlinienkompetenz – wenn schon Kanzlerin, dann aber bitte ohne Macht.

Wie sehr sie das Gezerre belastet hat, stand der CDU-Chefin ins müde Gesicht geschrieben. Die Äußerung einer Auslandskorrespondentin, sie sehe „krank“ aus, verbunden mit der schlichten Frage „Wie fühlen Sie sich?“ brachte Merkel derart ins Stottern, wie es ein noch so hartes Nachhaken der Journalisten über den Stand der Dinge wohl kaum vermocht hätte. Konzentriert und gegen Angriffe gewappnet war sie auf bohrende Fragen auch ihre Person betreffend sicherlich vorbereitet, auf so etwas wie Anteilnahme hingegen nicht.

Eher hilflos meinte „Heute-Journal“-Moderator Siegloch die soeben als Kanzlerin Nominierte am Abend fragen zu müssen, was sich für die Frauen im Lande ändere, da sie selber eine sei? Genervt antwortete die Interviewte, dass sie eine Frau sei, sei ja nun für jeden offenkundig, und ja, es wäre schön, wenn Frauen sich ermutigt fühlten. Da lagen schon schwierige Zeiten hinter ihr, und sie werden wohl kaum leichter. Schon jetzt lässt sich ahnen, wie gern CSU-Chef Edmund Stoiber sich selbst zum heimlichen Chef der großen Koalition aufschwingen würde – als Mittler zwischen Merkel’schem Reformeifer und Müntefering’schem Sozialstaatserhalt. Der Mann, der vor drei Jahren als Kanzlerkandidat der Union scheiterte und nun den Bayern-Thron zu Gunsten eines auf ihn persönlich zugeschnittenen Kabinettspostens aufgibt, hat Probleme, sich seiner künftigen Regierungschefin unterzuordnen. Wie er sich windet an ihrer Seite, wie rasch seine Solidaritätsbekundungen ins Stolpern geraten – nun stellt er ihr zu allem Überfluss einen ihrer hartnäckigsten Feinde im eigenen Lager an die Seite, Horst Seehofer, zuständig fürs soziale Profil der CSU, Querkopf obendrein.

Je mehr sich die eigenen Reihen in Stellungskämpfen ergehen, desto ruhiger wird es in der SPD, wenn es um die künftige Kanzlerin geht. Langsam reift die Erkenntnis, dass die ehrgeizige Frau aus dem Osten nicht aufzuhalten sein wird. Pragmatismus weicht der trügerischen Euphorie vom Wahlabend und den Wochen danach, Gerhard Schröder könnte es noch einmal „wuppen“. Nun wendet sich der Noch-Kanzler zum Gehen, ausgestochen von jener Frau, für deren Diffamierung als unfähige Politikerin, unattraktive Frau und nie gewesene Mutter er mitverantwortlich war. Bald schon werden die Sozialdemokraten die als „das Merkel“ zum Neutrum Herabgewürdigte zur Kanzlerin wählen müssen. Es geschieht ihnen recht.

Die Autorin ist Journalistin und war, auf Vorschlag der Grünen, von 1998 bis 2002 stellvertretende Regierungssprecherin.

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