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Meinung: „Ich bin Türkin und Schwäbin“

Ihre Handschrift lässt sich als Aussage lesen, besonders, wenn sie unterschreibt. Schwungvolle Bögen korrespondieren da mit Eckigem.

Von Caroline Fetscher

Ihre Handschrift lässt sich als Aussage lesen, besonders, wenn sie unterschreibt. Schwungvolle Bögen korrespondieren da mit Eckigem. Das „E“ im Vornamen Ekin ähnelt einem Blitz, kühn umwölbt das „D“ des Nachnamens „Deligöz“ fast den ganzen Schriftzug. Die deutsche Grünen-Politikerin Ekin Deligöz, geboren 1971 in der Türkei, illustriert ihr Selbstbewusstsein nicht nur kalligrafisch. Seit 1998 im Bundestag, ist sie unter anderem Fraktionssprecherin für kinder- und familienpolitische Angelegenheiten.

Dass sie nun gemeinsam mit anderen türkisch-deutschen Prominenten über die „Bild“-Zeitung Türkinnen in Deutschland aufgefordert hat, „in der Gegenwart anzukommen“ und ihre Kopftücher abzulegen, macht ihr nicht nur Freunde. Droh- und Schmähbriefe erhält sie jetzt, „zu neunzig Prozent von Männern“, denen eine Attacke gegen die private „Familienpolitik“ traditioneller Einwanderer nicht passt. „Ich bin viel in Moscheen und Vereinen unterwegs“, sagte die Politikerin diese Woche in einem Interview, „die Leute leben in Gedanken in der Türkei. Sie verstehen nicht, wie wichtig es für ihre Kinder ist, hier eine Perspektive zu entwickeln.“

Deligöz, die als Achtjährige mit ihrer „Gastarbeiterfamilie“ nach Deutschland kam, weiß, wovon sie spricht. Sie machte hier ihr Abitur, diplomierte in Verwaltungswissenschaften, war schon als Schülerin aktives Mitglied der Grünen und spezialisierte sich auf Integrationsfragen. Verheiratet ist sie mit einem Oberschwaben aus Ulm, der Sohn der „Türkin und Schwäbin“, wie sie von sich sagt, ist fünf. Im Januar hatte Deligöz zwar erklärt, der Begriff „Leitkultur“ hierarchisiere und grenze andere Kulturen aus. Doch das „Miteinander der Kulturen“ geht für sie nicht so weit, dass sie in einer demokratischen Gesellschaft ganze Gruppen akzeptieren will, die jenseits von Hier und Heute leben.

Das islamistisch-türkische Blatt „Yeni Mesaj“, Neue Nachricht, wirft Frauen wie Deligöz vor, sie hätten sich „zu Deutschen machen lassen“ und von ihrer islamischen Identität entfernt. Davon lässt sie sich nicht den Mund verbieten. Diese Politikerin will etwas sagen und zu sagen haben. Auf ihrer Homepage erklärt sie: „Es wäre mir zwar lieber, in Regierungsverantwortung gestalten zu können, aber in der Opposition zu sitzen, ist für mich auch kein Makel.“ Im Augenblick sitzt ihre Opposition nicht im Bundestag, sondern in der Parallelgesellschaft, gegen die sie kämpft.

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