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Meinung: „Ich danke den Jungen“

Um ein Haar hätte er in Berlin seinen 100. Film vorstellen können.

Von Gregor Dotzauer

Um ein Haar hätte er in Berlin seinen 100. Film vorstellen können. Doch zur Verleihung des Goldenen Ehrenbären hatte der Koreaner Im Kwon-Taek etwas für ihn viel Wichtigeres mitgebracht. „Ich möchte Ihnen meine Frau vorstellen“, sagte er beim Empfang im Kaisersaal am Potsdamer Platz. „Und wenn Sie den Altersunterschied zwischen uns bemerken, werden Sie nicht denken, dass sie meine erste Frau ist. Aber sie ist meine einzige, mir teure Frau, und das seit 30 Jahren.“ Das war, wie die beiden, in den festlichen Hanbok gekleidet, dastanden, er ein Mann von 70 Jahren, sie gut und gerne 20 Jahre jünger, eine sehr persönliche Geste der Demut, doch keine, die Zuschauer seiner Filme nicht nachvollziehen könnten. Denn Frauen sind oft das heimliche Zentrum seiner Gesellschaftsdramen: stärker als die dienende Rolle, die sie einnehmen, Rebellinnen gegen ein festgefügtes Patriarchat.

Auch die zweite Geste hatte etwas für sich, weit über das Rituelle hinaus. „Ich danke den jungen Regisseuren meines Landes, ohne die ich nicht hier stehen würde“, erklärte er. Tatsächlich ist Im Kwon-Taeks Auszeichnung ohne die Auslandserfolge junger Regisseure wie Kim Ki-Duk, Park Chan-Wook oder Hong Sang-Soo kaum denkbar. In ihrem Gefolge ist ein Interesse an Südkorea entstanden, das im Herbst auf der Frankfurter Buchmesse wohl seinen vorläufigen Höhepunkt findet.

Im Kwon-Taek ist der Altmeister des koreanischen Kinos – und bis heute eine Autorität für den Regienachwuchs. 1934 geboren, schlug er sich lange mit schlechten Jobs herum, bis er 1956 in Seoul als Produktionsassistent zum Kino kam. Seinen ersten eigenen Film drehte er 1962, doch fast alles, was er bis in die 70er Jahre auf die Beine stellte, erscheint ihm heute als reines Unterhaltungshandwerk, wenn nicht als Jugendsünde – er will und kann sich an vieles gar nicht mehr erinnern. Vom Kriegsfilm bis zum Actionknaller: Er machte alles und besann sich dann doch auf seine eigene Kunst und Verantwortung: Seine Geburt als eigenständiger Regisseur datiert Im Kwon-Taek auf das Jahr 1973 und den Film „The Deserted Widow“. Die Lust an der Vielfalt hat er allerdings behalten. Filme über die politische Spaltung Koreas in Nord und Süd gehören ebenso zu seinem Repertoire wie sensible Künstlerporträts über Maler und Musiker. Wer Im Kwon-Taeks Filme auf der Berlinale verpasst, bekommt eine zweite Chance: Vom 21. Februar an laufen 20 von ihm selbst ausgewählte Filme noch einmal im Berliner Arsenal.

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