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Meinung: „Ich gebe meine Überzeugung nicht zurück“

Der Vorgang lässt sich so einfach gegen die Grünen wenden, dass es ein Wunder wäre, wenn politische Gegner daraus nicht Kapital schlagen würden. Die Formel ist einfach: Ein grüner Paulus wird zum Saulus.

Von Hans Monath

Der Vorgang lässt sich so einfach gegen die Grünen wenden, dass es ein Wunder wäre, wenn politische Gegner daraus nicht Kapital schlagen würden. Die Formel ist einfach: Ein grüner Paulus wird zum Saulus. Matthias Berninger, der frühere Staatssekretär im Verbraucherschutzministerium, der Kämpfer gegen fett machende Nahrung und eine gewissenlose Industrie, gibt die Politik auf und verdingt sich bei einem der weltgrößten Süßwarenhersteller. Der Abgeordnete und hessische Parteichef geht Ende Januar zum europäischen Ableger des US-Konzerns Mars nach Brüssel.

Bounty, Milky Way, Snickers, Kitekat, Whiskas und Chappi – die Schokoriegel und das Katzenfutter des US-Familienkonzerns passen schlecht in die ideologische Produktpalette der Ökopartei, die Biomöhren statt Dickmacher anpreist. Ein bisschen ist es so, als ob sich Umweltminister Jürgen Trittin bald nach dem Beschluss zum Atomausstieg einem Nuklearkonzern angedient hätte.

Mit Berninger, der 1994 mit 23 Jahren als jüngster Abgeordneter in den Bundestag gewählt wurde, geht ein Politiker, auf dem einmal ziemlich große Hoffnungen ruhten – und offenbar auch lasteten: Vor vier Jahren, als ein Parteitag Claudia Roth und Fritz Kuhn überraschend von der Spitze vertrieb, lag die Macht eine lange Nacht lang zum Greifen nah. Berninger griff nicht zu. Joschka Fischer, der es ihm zugetraut hatte, verbreitete danach, er sei ein Weichei.

Dabei täuschen die hohe Stimme des Abgeordneten und sein eher braves Aussehen manche über die Tatsache, dass der Realpolitiker zuletzt unbeirrt die Öffnung der Grünen für neue Farben (die „Jamaika“-Koalition mit Union und FDP) und für eine Wettbewerbsorientierung in der Wirtschaftspolitik vorantrieb. So stur und kämpferisch ging er dabei vor, dass ihn die Linke hasste und die Parteioberen ihn oft zur Ordnung riefen.

Bei der Beerdigung von Holger Börner im Sommer, gerade wurde dessen Vita verlesen, wurde dem Vater dreier Kinder klar, dass er sein Leben nicht als Berufspolitiker beenden wollte. In Brüssel will er den Nahrungsmulti grüner machen: „Ich gebe meine Überzeugung nicht zurück“, versichert er. Und er schließt nicht aus, dass er eines Tages zurückkommt. Der deutschen Politkultur würden solche Lebenserfahrungen gut bekommen. Einer seiner Freunde bei den Grünen, die den Querkopf schon jetzt vermissen, ist skeptisch: „Wenn Leute erst mal weg sind, sind sie weg.“

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