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Meinung: „Ich habe doch nur Befehle …

… ausgeführt.“ Was wissen wir von der amerikanischen Soldatin Lynndie Rana England?

Von Caroline Fetscher

… ausgeführt.“

Was wissen wir von der amerikanischen Soldatin Lynndie Rana England? Eigentlich wenig. Und doch mehr, als wir wissen wollen.

Wir wissen, dass sie 21 Jahre alt ist, Reservistin der US-Army, die als einfache Gefreite im Februar 2003 in den Irak geschickt wurde. Dort sollte sie, als eine von etwa 50 Soldatinnen und Soldaten, im Gefängnis von Abu Ghraib über etwa 7000 Häftlinge wachen. In diesem, dem berüchtigtsten Gefängnis des alten Regimes, hat die junge Frau Häftlinge misshandelt – sadistisch und perfide. Gemeinsam mit anderen, darunter ihr 35-jähriger Lebensgefährte Charles A. Graner, beging Lynndie England schwere Straftaten an Inhaftierten, deren Kultur und Schamverständnis sie mit vorsätzlichem Hohn begegnete. Allem Anschein nach ist Lynndie England eine skrupellose, schwer gestörte Kriminelle. Jetzt steht sie einem Untersuchungsausschuss des US-Militärs Rede und Antwort.

Doch was sie redet und antwortet, scheint nicht allein von ihr abzuhängen. Sie sei das Bauernopfer im Folterskandal, mutmaßen amerikanische Medien. „Ich habe doch nur Befehle ausgeführt“, soll sie zunächst erklärt haben. Inzwischen lautet ihre – kolportierte – Aussage anders: „Einfach aus Spaß“, habe sie Häftlinge malträtiert. Ihr drohen bis zu 38 Jahre Haft. Lynndie England ist schwanger.

Aufgewachsen als Kind eines Eisenbahnarbeiters in einer trostlosen Containersiedlung in Fort Ashby, West Virginia, hinter einem Saloon und einer Farm von Schafzüchtern, bietet Lynndie das Bild einer Tochter des „White Trash“, des weißen Mülls, wie ihn der Rapper Eminem besingt. Um das Geld für ein Meteorologie-Studium zu verdienen, sei sie der Armee beigetreten, sagt die Familie. Der Vater ihres ungeborenen Kindes ist jener Soldat Graner, mit dem sie vor der Kamera mit den Misshandelten posierte. In den Gesichtszügen der Soldatin, die keine Spur von Reife zeigen, spiegelt sich eine Biografie, die sich nur ahnen lässt. Der jungen Frau fehlt die Ich-Stärke, ihre Geschichte zu reflektieren und zu berichten.

Nach allem, was wir wissen, wuchs Lynndie England in einer seelischen Wüste auf. Darauf weist auch die Tatsache hin, dass ihre Mutter gegenüber der „Baltimore Sun“ die grauenvollen Fotos, auf denen Lynndie England zu identifizieren ist, als „Kinderkram“ abtut. Aber keine Familiengeschichte, kein Trauma rechtfertigt ihre Taten, sei Lynndie England nun ein Bauernopfer oder nicht.

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