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Autor Matthias Kalle.

© Promo

Ich habe verstanden: Ab Sonntag ist wieder Unnormalzeit

Angeblich soll es Fälle geben, da dauert es viereinhalb Monate, bis sich Menschen an die Zeitumstellung gewöhnt haben – da hat man dann auch nicht mehr so viel vom Sommer, meint unser Kolumnist Matthias Kalle. Hat denn die Sommerzeit überhaupt Vorteile?

Neben einer Kleiderbügelphobie, deren genaue Beschreibung mir schon den Angstschweiß auf die Stirn treibt, ist meine größte Angst die: Ich wache am morgen der Zeitumstellung auf, suche alle Uhren in der Wohnung – und vergesse eine. Irgendeine. Die von der Mikrowelle zu Beispiel. Drei Tage später habe ich es eilig, ich stehe in der Küche – schaffe ich noch einen Kaffee? Blick auf die Mikrowellenuhr: Locker. Ich trinke meinen Kaffee, lese in der Zeitung und stelle später, viel später fest, dass ich zu meinem Termin nicht rechtzeitig erschienen bin. Karrieren, Beziehungen, solche Sachen gehen dadurch kaputt.

An diesem Wochenende also wieder. Uhren umstellen auf Sommerzeit. Stunde vor. Oder? Ja, natürlich, Stunde vor, immer wenn ich das nicht weiß, erinnere ich mich an den schönen französischen Film „So sind die Tage und der Mond“, in dem ein alter Mann sich darüber aufregt, dass ausgerechnet im Sommer die Uhren vorgestellt werden. „Im Sommer nehmen sie mir eine Stunde um sie mir im Winter zurückzugeben wenn ich sie nicht brauche.“ Genau das ist auch meine Einstellung zur Sommerzeit.

Sommerzeit. Na ja. Letztmalig eingeführt in Deutschland 1980 um sich den Nachbarländern anzupassen, übrigens führten damals die BRD und die DDR die Sommerzeit in schöner Eintracht ein, als Gründe wurden damals angeführt, das man so mehr Energie sparen könne. Im Jahr 2005 gab es im Bundestag mal eine Anfrage der FDP-Fraktion an die damalige rot-grüne Bundesregierung. Ob das denn auch so sei, das mit dem Energiesparen durch die Zeitumstellung. Die gewünschte Energieeinsparung konnte allerdings nicht festgestellt werden, festhalten wolle man aber trotzdem an der Sommerzeit, eben auch, weil alle anderen das ja auch täten.

Die Fans der Sommerzeit tummeln sich draußen:

Hat denn die Sommerzeit überhaupt Vorteile? Fans der Sommerzeit rufen dann immer: „Längere Abende! Bleibt ja länger hell!“ Deshalb sieht man auch ab jetzt abends wieder Menschen auf den Straßen und den Plätzen, sie bevölkern wieder die Brücken und die Parks, um man muss Menschen schon auch mögen, um das dann als Vorteil anzuerkennen. Sehen die denn nicht, dass sie damit den Interessen der Wirtschaft dienen? Der Konsum zieht an, die Produktivität wird höher, die Laune der Menschen bessert sich grundlos.

Schlechte Laune verbreiten die Gegner der Sommerzeit, in dem sie Studien zitieren, demnach es zu Hormonspiegelschwankungen kommen soll, wenn die Zeit umgestellt wird. Angeblich soll es Fälle geben, da dauert es viereinhalb Monate, bis sich diese Schwankungen legen – da hat man dann auch nicht mehr so viel vom Sommer. Andere Studien behaupten, die Anpassung des chronobiologischen Rhythmus des Organismus sei problematisch und führe bei Menschen mit Schlafstörungen zu erheblichen Problemen. Das Herzinfarktrisiko soll ich auch erhöhen – allerdings gebe es während der Sommerzeit weniger Unfälle.

Tatsächlich? Ich habe die Woche damit verbracht, die Winterkleidung einzumotten und die Sommerkleidung in den Schrank zu hängen. Kleidung hängt – wann erfindet da mal einer was?! – an Kleiderbügeln. Ich bin ein paar Mal, gerade so, an schwersten Verletzungen vorbeigeschrammt. Zeitumstellung und Kleiderbügel: Sind grad nicht meine besten Tage. Aber wird ja auch irgendwann wieder Winter. Und dann stellen wir um auf Normalzeit. So heißt das nämlich. Ab Sonntag also wieder Unnormalzeit.

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