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Unser Kolumnist Matthias Kalle.

© Privat

Ich habe verstanden: Hang zur Neiddebatte

Wer verdient was? Unser Kolumnist Matthias Kalle über Stefan Raab und Mathias Döpfner - und über Zweitereiheparker, die unbedingt mal einen gehörigen Anschiss brauchen.

Ich wollte diese Woche eigentlich über Feindbilder schreiben, das hatte ich mir am Montag vorgenommen, als ich dachte: „Sind die denn alle bescheuert?!“ Ich fuhr mit dem Auto, wobei „fahren“ es nicht ganz trifft, als Schuldigen erkannte ich die so genannten Zweitereiheparker. Zweitereiheparker sind – sofern sie nicht hauptberuflich bei der Stadtreinigung arbeiten, meistens egoistische Menschen, die ihre Bequemlichkeit oder Faulheit oder Dummheit vor den nachvollziehbaren Bedürfnissen der anderen Verkehrsteilnehmer stellen, die im Prinzip nur irgendwie von A nach B kommen wollen, dafür schon Ampeln, Umleitungen und Staus in Kauf nehmen. Der Zweitereiheparker – das ergaben meine Recherchen – weiß von den Verkehrsbedingungen in Berlin wenig, denn der Zweitereiheparker sitzt meist in einem Auto mit ortsfernen Nummernschild, meist aus dem Süden Deutschlands, ich sah viele aus Ulm, das kann aber Zufall sein und muss nichts bedeuten.

Jedenfalls hatte ich mein Kolumnenthema, der Text – so dachte ich – würde sich wie von selbst schreiben, aber dann trafen sich am Donnerstag die Außenminister im Adlon und der Verkehr brach zusammen und ich dachte: Nein, wir sitzen doch alle im selben Boot, quasi im selben Auto, wir sind Leidensgenossen, da kann ich mir nicht einzelne schwarze Schafe raussuchen und sie nach allen Regeln der journalistischen Kunst fertig machen.

Also überprüfte ich andere populäre Feindbilder: junge FDP-Männer, Atomkraftwerksbetreiber, Gaddafi, Einheitsdenkmalentwerfer, Uli Hoeneß, die Moderatoren der RTL-Show „Let's dance“ (oder wie die vorherige Moderatorin es ausdrückte: „Ähletzädänz.“). Fand ich dann aber alles bisschen langweilig – sogar zu Silvana Koch-Mehrin fiel mir nichts ein, vor allem, weil ich den Namen googlen musste, so uninteressant ist diese Frau für mich. Wahrscheinlich, dachte ich Donnerstagabend, bin ich der Anti-Wutbürger: die meisten Dinge langweilen mich zu sehr, als dass ich mich darüber aufregen könnte.

Und dann las ich, dass Stefan Raab angeblich von Pro Sieben 185 Millionen Euro bekommt, während Dr. Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel-Springer-AG im Jahr 2010 wohl zehn Millionen Euro verdient hat.

Mir ist es im Prinzip völlig egal, was einer verdient. Dass heißt: wenn einer wenig verdient, finde ich das eine Sauerei. Wenn einer viel verdient, denke ich, dass irgendwer das ja freiwillig auch bezahlt. Eigentlich glaube ich sogar, dass es niemanden etwas angeht, was einer verdient.

Außerdem führen die Meldungen über diese Spitzenverdienste auch ziemlich in die Irre – ich möchte gar nicht wissen, was die Kollegen verdienen, die aus so einer Nachricht Texte zusammenschustern. Stefan Raab „verdient“ nicht 185 Millionen Euro. Es ist die Summe, die seine Produktionsfirma für 5 Jahre bekommt. Dafür muss seine Produktionsfirma auch liefern: Sendungen, Ideen, Quoten. Kostet auch. Wie viel Geld also Stefan Raab verdient, kann außer ihm kaum ein Mensch wissen. Dass allerdings die Sendergruppe, die ihm dieses Geld zur Verfügung stellt, mit Raab ganz gut verdient, lässt sich belegen: Als der neue Vertrag bekannt wurde, stiegen die Aktien der Sendergruppe Pro Sieben Sat 1 um bis zu 2,9 Prozent, nachdem sie kurz zuvor auf ein Sechs-Monats-Tief gefallen waren.

Das Gehalt von Mathias Döpfner wird vom Springer-Verlag nicht bestätigt – vielleicht, weil es auf Grund von Aktienbesitz höher ist. Vor einigen Monaten legten mehrere ARD-Intendanten ihre Gehälter offen – in der zu Springer gehörenden „Bild“-Zeitung, offenbar nicht die Fan-Hochburg des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, teilte man die Gehälter mit einem gewissen Hang zur Neiddebatte mit. Zur Erinnerung: Monika Piel, WDR-Intendantin und seit Jahresbeginn Vorsitzende der ARD, verdient im Jahr 308.000 Euro – Döpfner verdient, wenn die Angaben stimmen, 32 mal so viel.

Vielleicht stimmt es ja, dass jeder das bekommt, was er verdient – vielleicht ist das aber auch großer Quatsch. Ich wäre schon zufrieden, wenn jeder das verdient, was er braucht.

Zweitereiheparker brauchen übrigens unbedingt mal einen gehörigen Anschiss.

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