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Unser Kolumnist Matthias Kalle.

© Privat

Ich habe verstanden: Humor ist auch eine Waffe

Was einst die "Schweizer Spaghetti-Ernte" war, ist heute Thilo Sarrazins Wechsel zur FDP. Matthias Kalle hat verstanden: Nach all den Schreckensmeldungen der letzten Tage tut ein bisschen Humor manchmal eben auch gut.

Andy Kaufman, der große amerikanische Humorerneuerer der 70er Jahre, über den Milos Forman den schönen Film "Der Mondmann" gedreht hat, hat in seinem ganzen Leben nie einen Witz gemacht. In dem Film sagt der Schauspieler Jim Carrey, der Kaufman darstellt, einmal: "Ich bin ein Mann des Tanzes und des Gesanges." Einmal stand Kaufman einen ganzen Abend auf der Bühne und las seinem Publikum "Der große Gatsby" vor, von Anfang bis Ende. Was war das? Was sollte das? Muss ich jetzt lachen – oder meint er das ernst? Kaufmans Humor irritierte und verstörte und der Mann hat in seinem ganzen Leben nie einen Witz gemacht.

Heute morgen las ich beim Frühstücken im "Tagesspiegel" die Überschrift, dass Thilo Sarrazin für die Berliner FDP kandidieren will. Erste Reaktion: Hat eine innere Logik. Dann las ich den Text von Stefan Jacobs und lachte. In dem Text standen keine Witze. Alles stimmte. Alles war ausgedacht. Ein großer Text – der Aprilscherz des "Tagesspiegel".

Als ich ins Büro kam, ging ich auf die Startseite der Onlineausgabe des "Tagesspiegel". Die Topmeldung war Jacobs Text, versehen mit dem gelben Balken "Exklusiv". Plötzlich dachte ich: Vielleicht stimmt das ja doch. Vielleicht ist das gar kein Aprilscherz. Die Meldung irritierte und verstörte mich und es ist natürlich ein Scherz und ich schließe mich einem Tagesspiegelleser an, der kommentierte, dass es der beste Aprilscherz aller Zeiten sei.

Weil es sich dabei nämlich auch um die Wahrheit handeln könnte. Weil es im Bereich des möglichen scheint. Die Kollegen der "Berliner Zeitung" waren auch nicht schlecht mit ihrer Meldung, die Goldelse solle in Zukunft Richtung Osten schauen und im "Inforadio" brachten sie einen Bericht, dass auf der Gelände des Flughafen Tempelhof der Zoo und der Tierpark zusammengelegt werden sollen. Kann man sich alles vorstellen, ist alles großer Quatsch.

Der Aprilscherz schien eigentlich schon furchtbar aus der Mode gekommen zu sein – er ist ja auch schon ein bisschen älter: Am 1. April 1957 zeigte die britische BBC Bilder der "Schweizer Spaghetti-Ernte" und interviewte "Pasta-Bauern", die sich über die guten Ernteerträge freuten. Spaghetti wachsen im Boden – viele Zuschauer glaubten es. Das ist die Geburtsstunde des Aprilscherzes in den Medien, seitdem gab es einige Highlights, aber in den vergangenen Jahren war es doch etwas ruhiger geworden um den Aprilscherz – in diesem Jahr scheinen die Kollegen aber in Topform zu sein: Die "FAZ" berichtet vom regelrechten Telefonterror des französischen Philosophen Bernard-Henri Lévy gegen Angela Merkel, ein Onlinemediendienst meldet, dass Karl-Theodor zu Guttenberg neuer "Wetten, dass...?"-Moderator werden wird – alles scheint erstmal nicht so absurd zu sein, wie es natürlich ist – das ist großer, wahrer, tiefer Humor.

Und es wirkt fast so, als würden sich die Kollegen, die sich diese Aprilscherze ausgedacht haben, dadurch ein wenig durchatmen nach all den Schreckenswochen, die hinter uns liegen. Humor ist eben auch eine Waffe, um das Leben ein wenig erträglicher zu machen, um das Leben etwas versöhnlicher zu sehen. Liebe Kollegen: Vielen Dank.

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