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Ich lebe jetzt in. . .: … Irland

Antje Joel findet heraus, dass Hunde fürs Zuhausegefühl wichtiger sind als Pflanzen.

Wann werde ich aufhören, „zu Hause“ zu sagen, wenn ich „in Deutschland“ meine? Wie lange wird es dauern, bis ich mit „bei uns“ tatsächlich „bei uns in Irland“ meine? Ich überrasche mich selbst, wenn ich so rede: Zuhause, in Deutschland – ist das mein tieferes Empfinden? So tief in mir drinnen, dass ich Mühe habe, es wahrzunehmen? Oder sagt man das halt so? Ist Sprache doch nicht verräterisch, bedeutet „Zuhause“ nur mehr „das Gewohnte“, ist der Begriff keinem tieferen Gefühl verbunden?

Auf Englisch sage ich niemals „back home“, wenn ich Deutschland meine, ich sage: „Over in Germany“, drüben in Deutschland. Hier sagen sie: „Home is where you make it.“ Gewiss. Bleibt die Frage: Wie? Wie schafft man sich sein Zuhause? In einem Land, wo die mickrigste Yuccapalme 50 Euro kostet? Und ein Minisack Blumenerde 20? Die Iren haben es offenbar nicht so mit Zimmerpflanzen. Ich auch nicht. Meine sind meistens vertrocknet. Selbst die, die ich ganz bestimmt nicht mehr hatte vertrocknen lassen wollen. Die Pflanzen, die nicht vertrocknet sind, sind erfroren. Auf dem Balkon, auf den ich sie gleich im Frühjahr ausgesperrt hatte und bei Einbruch des ersten Frostes im Herbst vergaß. Ich habe den braunen Daumen. Was will ich mit Zimmerpflanzen? Es ist draußen alles so grün, davon sollte man sich im Haus erholen. So denken wahrscheinlich die Iren.

In Irland hält man sich statt Zimmerpflanzen Hunde. Die Mindesthundeanzahl in meinem direkten Umfeld ist zwei, Durchschnitt sind drei, die mir bislang bekannte Hundehöchstzahl ist 15. Und obwohl ich auf keinen Fall wieder einen Hund haben wollte, sondern Zimmerpflanzen, habe ich letzte Woche einen gekauft. Einen braunen. Und siehe, die Nachbarn, die bislang nur freundlich waren, begegnen uns jetzt mit der gleichen Herzlichkeit wie ihren Landsleuten. Wir sind nicht länger die Sonderlinge („weirdos!“), sondern haben das Zeug zu normalen Menschen.

Es ist erstaunlich, wie sehr ein einziger Hund einen Ort und das Gefühl für den Ort verändert. Der Hund bindet. Er nimmt dem Hiersein das Übergangshafte. Einen Hund zu haben, schafft mehr Zuhausegefühl als die größte Yuccapalme. Was wiederum wunderlich ist, denn: Yuccapalmen jaulen nachts nicht und pinkeln nicht ins Haus. Sie sind einfach nur grün. Für eine Weile.

Die Autorin ist vor sechs Wochen nach Irland ausgewandert und berichtet hier von ihrem neuen Leben.

Antje Joel

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