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Meinung: „Ich möchte nie wieder kandidieren“

Er galt als Langweiler. Ein Mann, der mit Zahlen um sich wirft und mit dem der einfache Bürger kein Bier trinken mag.

Er galt als Langweiler. Ein Mann, der mit Zahlen um sich wirft und mit dem der einfache Bürger kein Bier trinken mag. Aber auf einmal ist Al Gore ein Held und eine Hoffnung vieler Demokraten. Gerade hatte der Film „An inconvenient truth“ (Eine unangenehme Wahrheit) Premiere, in dem Gore vor den Folgen des Klimawandels warnt. In Cannes schritt er über den roten Teppich der Filmfestspiele – als sei er ein internationaler Star.

Prompt wird über sein politisches Comeback spekuliert. Acht Jahre war er Bill Clintons Vize, 2000 sah er lange wie der sichere Sieger gegen George W. Bush aus und verlor dann knapp. Viele Amerikaner halten bis heute Gore für den wahren Sieger. Und noch haben weder Demokraten noch Republikaner einen klaren Kandidaten für 2008, Bush darf nicht wieder antreten. Al Gore wird durch die Talkshows gereicht und sagt überall, er wolle nicht kandidieren. Oft setzt er freilich hinzu: „Ich bin in einem Lebensabschnitt, wo ich nicht ,Niemals‘ für den Rest meines Lebens sagen möchte.“

Er fühle sich wie in einem Wahlkampf, sagt der 58-Jährige, „aber nicht als Kandidat. Es ist ein Wahlkampf um die Aufmerksamkeit der Amerikaner für den Klimawandel.“ Das ist sein Thema seit Jahrzehnten, er hat viele Amerikaner sensibel gemacht dafür. Und obwohl das Land mit dem höchsten Energieverbrauch und größten Kohlendioxidausstoß pro Einwohner das Kyoto-Protokoll nicht unterzeichnen mag: Gore hat Bush im Wahlkampf 2000 gezwungen, zuzugeben, dass es da wohl ein menschengemachtes Problem gebe. Davon will der Präsident heute nichts mehr wissen; doch auch er fordert heute, die USA müssten sich von ihrer Ölabhängigkeit lösen und die Emissionen reduzieren.

Gores Film wird bestimmt kein Kassenschlager. Gegen die vielen Diagramme zu Treibhausgasen und Wärmestatistiken kommen die dramatischen Bilder schmelzender Gletscher und die durchaus vorhandenen witzigen Szenen – Gore rettet einen Frosch vor einem Topf kochenden Wassers – nicht an. Dennoch ist Gores neue Popularität ein Warnsignal für die Republikaner. Viele Bürger haben die Dominanz der Bush-Politik und der Ölindustrie satt. Die rasant steigenden Benzinpreise tragen bei zur Sehnsucht nach jemandem, der sich in der Welt nachhaltiger Energiepolitik auskennt. Wahrscheinlich würden heute eine ganze Menge Amerikaner gerne mal ein Bier mit Al Gore trinken.

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