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Meinung: „Ich nenne es selbstbewusste Bescheidenheit“

Es wird eine der rasantesten Politkarrieren in der an Überraschungen nicht armen Geschichte der SPD. Nach 32 Jahren als einfaches Parteimitglied wird Frank-Walter Steinmeier im Oktober aller Wahrscheinlichkeit nach zum stellvertretenden Parteichef gewählt, ohne dass er sich zuvor jemals um ein herausgehobenes Parteiamt oder um ein Bundestagsmandat beworben hätte.

Von Hans Monath

Es wird eine der rasantesten Politkarrieren in der an Überraschungen nicht armen Geschichte der SPD. Nach 32 Jahren als einfaches Parteimitglied wird Frank-Walter Steinmeier im Oktober aller Wahrscheinlichkeit nach zum stellvertretenden Parteichef gewählt, ohne dass er sich zuvor jemals um ein herausgehobenes Parteiamt oder um ein Bundestagsmandat beworben hätte.

Referent, Kanzleramtschef, Außenminister – stets hatten andere den Juristen mit seiner wachsenden Verantwortung betraut, nie musste er um die Zustimmung der Basis ringen oder auf Parteitagen um seine politische Zukunft kämpfen. Jetzt aber gilt er in der SPD sogar als möglicher Kanzlerkandidat für den Fall, dass Kurt Beck selbst nicht will. Bekannter und beliebter als der SPD-Chef und damit womöglich aussichtsreicher ist der 51-Jährige schon lange.

Steinmeier hätte sich viel früher um einen Posten in der SPD-Spitze bemüht, wenn ihn nicht der BND- Untersuchungsausschuss mit Vorwürfen zugesetzt hätte, wonach er als rot-grüner Kanzleramtschef angeblich im Irakkrieg dem US-Militär beim Bomben half und Murat Kurnaz in Guantanamo schmoren ließ. Für Steinmeiers Entwicklung vom strategisch einfallsreichen, gut vernetzten Schreibtischstrategen zum Politiker hatten die Angriffe paradoxe Folgen: Anfangs hielten ihn manche für zu zögerlich für ein Spitzenamt. In der Kurnaz-Affäre sah sich Steinmeier wochenlang einem vernichtenden Medientenor gegenüber, zeitweise wurde es einsam um ihn. Er war gezwungen, sich alleine durchzukämpfen. Inzwischen muss die Opposition damit leben, dass die Jagd keinen Erfolg haben wird.

Mit dem „Irandossier“(Steinmeier) und der Raketendebatte verfolgt Steinmeier zwei Themen, die in der SPD als identitätsstiftend gelten. Anders verhält es sich mit der Entscheidung über die Afghanistaneinsätze im Herbst: Die Partei würde sich lieber heute als morgen zurückziehen, Steinmeier steht zur deutschen Verantwortung.

In Abgrenzung zur rhetorisch häufig überhöhten Außenpolitik seines langjährigen Chefs Gerhard Schröder und Joschka Fischers hat Steinmeier die Diplomatie der großen Koalition einmal auf eine Formel gebracht, in der er, was er gerne tut, zwei Gegensätze verbindet: „Ich nenne es selbstbewusste Bescheidenheit.“ Gemeint war natürlich eine Erfolgsstrategie. Im Licht der jüngsten Entwicklung könnte man auf die Idee kommen, der Satz passe auch zu seinem Urheber.

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