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Meinung: „Ich trug zwei Tage Kopftuch“

Mina Ahadis Abfall vom Glauben dauerte vier Tage. Die Medizinstudentin hatte sich gut eingepackt, als sie 1974 zum ersten Mal den Campus der Universität Tabriz betrat: „Die ersten zwei Tage an der Uni trug ich noch den Tschador“, einen Umhang, der Kopf und Körper einer muslimischen Frau vor lüsternen Blicken schützen soll.

Mina Ahadis Abfall vom Glauben dauerte vier Tage. Die Medizinstudentin hatte sich gut eingepackt, als sie 1974 zum ersten Mal den Campus der Universität Tabriz betrat: „Die ersten zwei Tage an der Uni trug ich noch den Tschador“, einen Umhang, der Kopf und Körper einer muslimischen Frau vor lüsternen Blicken schützen soll. „Dann trug ich zwei Tage Kopftuch“, sagt die Iranerin. Sie hatte nicht Lüstlinge, sondern linke Studenten kennengelernt. Am Abend des vierten Tages warf sie das Stoffstück weg – ebenso wie den Glauben an Allah. Wenige Wochen später musste sie die Universität verlassen. Mina Ahadi hat dem Islam abgeschworen. Sie will, dass möglichst viele ihrem Beispiel folgen.

Für diesen Mittwoch hat die heute 50 Jahre alte Frau eine Provokation angekündigt, die auch die muslimischen Verbände in Deutschland reizen dürfte. Der vor wenigen Wochen gegründete Verein „Zentralrat der Ex-Muslime“ will in Berlin seine Bekenntnisschrift „Wir haben abgeschworen“ vorstellen. Im Stil der „Stern“-Aktion „Wir haben abgetrieben“ von 1971 erklären ehemalige Muslime öffentlich, dass sie sich vom Glauben distanziert haben. „Wir protestieren dagegen, dass Islamverbände für uns sprechen“, sagt Zentralrats-Vorsitzende und Frauenrechtlerin Ahadi.

Indem die deutsche Regierung islamische Verbände als Gesprächspartner suche – etwa bei der Islamkonferenz oder dem Integrationsgipfel –, akzeptiere sie die Andersartigkeit muslimischer Parallelgesellschaften, deren Frauenbild und den Wunsch nach Sonderrechten, etwa beim unbetäubtem Schächten von Opfertieren. „Die Politik hat die Muslime aufgewertet“, sagt Ahadi. Säkulare Stimmen verlören dagegen an Gewicht.

Dabei sei auch in Deutschland die Abkehr vom Islam für die Betroffenen keineswegs unproblematisch. „Schon kurz nach der Gründung des Zentralrats, kursierten in Internetforen Drohungen“, sagt Ahadi. Die Kölner Polizei erstellte für sie eine Gefährdungsanalyse – eine Maßnahme, die laut Oguz Ücüncü eigentlich nicht nötig sein dürfte. „Im Glauben gibt es keinen Zwang“, sagt der Generalsekretär der islamischen Gemeinschaft Milli Görüs. Abtrünnige dürften „keinerlei Sanktionen im Diesseits“ ausgesetzt werden.

Mina Ahadi denkt trotzdem nicht, dass sie mit ihrer Aktion offene Türen einrennt: „Immerhin führt sie dazu, dass sich Milli Görüs öffentlich zur Freiheit bekennt.“

Steffen Kraft

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