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Meinung: Ihr liebster Feind

Abschied von Silvio Berlusconi: Nun muss Italiens Linke ein eigenes Projekt finden

Als gestern die ersten Wahlprognosen aus Italien kamen, meinte man förmlich das Aufatmen zu spüren, welches durch Europa ging. Wenn sich der Trend bestätigt, dürfte die Ära Berlusconi beendet sein. Der hatte zum Abschied noch einmal seine Einstellung zu demokratischen Gepflogenheiten unter Beweis gestellt, als er sich einen Rüffel im Wahlbüro abholte – weil er seiner Mutter beim Wählen die Hand führen wollte. Offenbar sehnen sich nun aber auch die Italiener – wie zuvor schon die Deutschen – nach weniger Show und mehr Nüchternheit.

Dennoch wird Italien noch lange am Erbe des Populisten, der aus der Mitte kam, zu tragen haben. Weil es einige Zeit dauern wird, bis die den Justizapparat behindernden und Berlusconi schützenden Gesetze rückgängig gemacht werden. Weil es fraglich ist, ob es der linken Koalition gelingt, das den politischen Wettbewerb verzerrende Medienreich Berlusconis auf ein demokratieverträgliches Maß zurechtzustutzen. Vor allem aber, weil diese Linke nun endlich ein Projekt für Italien definieren muss, das sich nicht in der Dämonisierung des politischen Gegners erschöpft.

Das Feindbild Berlusconi hat es der Opposition einfach gemacht, eine gemeinsame Identität zu finden, es hat aber auch auf vielen Feldern zu einer Denkblockade geführt, weil sich alles nur noch um den schrillen Selbstdarsteller drehte. Nun wird der Blick auf Italiens Zukunft wieder frei – doch wie Romano Prodis Koalition sie zu gestalten gedenkt, weiß keiner so genau.

Dabei sind die Probleme Italiens gewaltig. Das Land wies im vergangenen Jahr das geringste Wachstum in der EU auf und hat eine der höchsten Schuldenraten Europas. Globalisierung und demographische Krise stellen die Sozialsysteme unter einen enormen Druck, gleichzeitig türmt der rigide Arbeitsmarkt solche Hürden auf, dass eine Mehrheit der jungen Erwachsenen der Einstieg in den regulären Arbeitsmarkt nicht schafft. Ob es einer Koalition, der auch zwei kommunistische Parteien angehören, tatsächlich gelingen wird, hier viel zum Besseren zu bewegen, ist fraglich. Zumal dann, wenn Silvio Berlusconi sich von der politischen Bühne verabschiedet und als einigende Klammer der Linken wegfällt.

Alle Hoffnungen ruhen deshalb auf Romano Prodi. Der hat als EU-Kommissionspräsident keine sonderlich gute Figur gemacht, aber er versteht etwas von Wirtschaft. Und er hat schon einmal gezeigt, dass er Italien zu großen Kraftanstrengungen bewegen kann, als er das Land von 1996 bis ’98 eurotauglich machte. Nun will Prodi Italien fit für die Globalisierung machen – wenn seine Regierungspartner ihn lassen. Besser als fünf weitere Jahre Berlusconi dürfte eine Regierung Prodi allemal sein – ob gut genug für die Probleme Italiens, wird sich zeigen.

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