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Meinung: Ihre liebe DDR

Die Linkspartei fällt in alte Zeiten zurück und leugnet die Vergangenheit Von Rainer Eppelmann

Während sich die Parteispitze der mittlerweile zur Linkspartei mutierten PDS formal schon mehrfach zu ihrer historischen Verantwortung bekannt hat, zeigen immer öfter Äußerungen führender Politiker der Partei, mit welcher Janusköpfigkeit sie in Wirklichkeit agiert, wenn es um die Aufarbeitung ihrer eigenen Geschichte geht.

Diese Widersprüchlichkeit drückt sich einmal mehr in der aktuellen Kontroverse um die Bekenntnisse der neu berufenen Staatssekretärin beim Wirtschaftssenator, Frau Almuth Nehring-Venus, aus. Diese relativierte Anfang des Monats anlässlich einer Ausstellungseröffnung auf dem Gelände der ehemaligen Stasibezirkszentrale in Prenzlauer Berg unter anderem den in der Zwangsvereinigung von KPD und SPD zur SED liegenden totalitären Ursprung ihrer Partei, obwohl sich die Führung der Partei bereits vor fünf Jahren im Rahmen einer offiziellen Erklärung für die Repressionen bei der Gründung der SED entschuldigt hatte.

Zu befürchten ist dabei, dass Frau Nehring-Venus nur ausgesprochen hat, wovon die Mehrheit ihrer Partei in Wirklichkeit überzeugt ist. Denn in der jüngeren Vergangenheit ließ die PDS/Linkspartei schon mehrfach Zweifel daran aufkommen, dass es ihr wirklich ernst ist mit der Distanzierung vom SED-Unrecht und seinen Tätern.

Die aus dem skandalösen Auftritt von ehemaligen Stasioffizieren in der Gedenkstätte Hohenschönhausen entstandene „Flierl-Affäre“ ist dabei nur als (mit Recht) aufgeregteste Episode einer ganzen Reihe von Vorkommnissen zu werten, in der die Linkspartei zur Rolle rückwärts in die Vergangenheit angesetzt hat.

Schon in Hohenschönhausen war abzusehen, dass sich die Parteiführung offenbar wieder auf das traditionellere Milieu in ihrer Basis besinnt und mehr Rücksicht nehmen will auf die politischen Sichtweisen und Empfindlichkeiten ihrer Klientel. Die Aussage des Linkspartei-Ehrenvorsitzenden Hans Modrow im April dieses Jahres, als er der Bundesrepublik eine Mitschuld an den Mauertoten gab, schlägt dabei in dieselbe Kerbe und ist an Zynismus schwer zu überbieten.

Auch der Kubastreit, der in der Linkspartei Anfang des Jahres für Trubel und Aufsehen sorgte, spiegelt das ambivalente Verhalten der Partei zu den demokratischen Grundsätzen und zu ihrer eigenen historischen Verantwortung wider. Als die Abgeordneten der Linkspartei-Gruppe im Europäischen Parlament um André Brie für eine Entschließung stimmten, in der Kuba unter anderem zur Einhaltung fundamentaler Menschenrechte angemahnt wurde, riefen sie damit die alten Kader auf den Plan. Diese sahen offensichtlich ihre romantisch verklärte Beziehung zum „Sozialismus unter Palmen“ in Gefahr und bewegten die Parteiführung erfolgreich dazu, die Abgeordneten für ihr Abstimmungsverhalten abzukanzeln.

Ein weiteres anschauliches Beispiel für den Umgang der Linkspartei mit ihrem historischen Erbe bot kürzlich die Reaktion auf den Tod von Stasigeneraloberst Markus Wolf, den Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau und Linkspartei-Landeschef Klaus Lederer in einer Anzeige im „Neuen Deutschland“ als „einen streitbaren Kämpfer, der aufrecht durch sein Leben ging“ betrauerten. Die Danksagung seiner Familie auf die Kondolenzbezeugungen der Partei und der alten Stasikader enthielt die Botschaft: „Das letzte Wort ist noch nicht gesagt“ – eine höhnische Drohung und eine Ohrfeige für die Opfer des SED-Regimes.

Als vor wenigen Tagen, am 11. Dezember, schließlich auf dem Zentralfriedhof in Friedrichsfelde ein „Gedenkstein für die Opfer des Stalinismus“ eingeweiht wurde, für dessen Errichtung sich auch die Linkspartei offiziell engagiert hatte, störten einige ihrer Anhänger die Feierstunde mit Pfiffen und Transparenten.

Was sich hier abspielte und weiterhin abspielt, führt aller Welt klar vor Augen, wie ungeheuer wichtig die gesellschaftliche Klärungs- und Erinnerungsarbeit über die SED-Diktatur und die Stasimachenschaften auch noch in Zukunft sein wird. Die DDR-Bewunderer innerhalb der Linkspartei und anderswo scheinen wieder Oberwasser gewinnen zu wollen. Da der von ihnen gewünschte Schlussstrich unter die Aufarbeitung des Unrechtsregimes in der Öffentlichkeit zum Glück nicht durchsetzbar ist, verlegen sie sich mehr und mehr im Rahmen formeller Aufarbeitung auf das „Geraderücken“ der Geschichte.

Die historische Wahrheit aber, und das haben die vielseitigen Reaktionen auch auf die Rede von Frau Nehring-Venus in aller Deutlichkeit gezeigt, lässt sich in einer wachen und aufmerksamen Demokratie nicht entstellen und nicht verleugnen.

Der Autor war DDR-Oppositioneller und ist heute Bundestagsabgeordneter der CDU.

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