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Meinung: „Im Bett des Todfeindes“

Markige Worte sind das, mit denen Peter Schneider die Übernahme des Hamburger Rotbuch Verlags durch die Ostberliner Eulenspiegel-Gruppe kommentiert. Da bei Eulenspiegel auch Bücher von Markus Wolf und Egon Krenz erscheinen, sehe er sich jetzt „im Bett des Todfeindes“, so Schneider, ja, in einem „Albtraum“ wähne er sich gar.

Markige Worte sind das, mit denen Peter Schneider die Übernahme des Hamburger Rotbuch Verlags durch die Ostberliner Eulenspiegel-Gruppe kommentiert. Da bei Eulenspiegel auch Bücher von Markus Wolf und Egon Krenz erscheinen, sehe er sich jetzt „im Bett des Todfeindes“, so Schneider, ja, in einem „Albtraum“ wähne er sich gar. Diese Empörung ist eigentlich erstaunlich, gilt Rotbuch doch inzwischen als Kleinverlag.

Sie wird jedoch verständlich, schaut man sich die Rotbuch-Geschichte an: Schneider war mit seiner Erzählung „Lenz“ ein Geburtshelfer des Verlags. „Lenz“ war zunächst im Frühjahrsprogramm 1973 des Wagenbach-Verlags angekündigt worden und wäre dort auch erschienen, hätte es bei Wagenbach nicht eine für die damalige Zeit typische Krise gegeben. Verleger Klaus Wagenbach wollte nicht mehr so, wie sein Verlagskollektiv das wollte. Das Modell der ultimativen Mitarbeitermitbestimmung erschien ihm ruinös, er wollte wieder alleiniger Herr im Haus sein.

Peter Schneider aber, 1940 in Lübeck geboren und in der Studentenbewegung aktiv, glaubte an das „Verlagskollektiv“ und unterstützte Ex-Wagenbachler bei ihrer Verlagsneugründung Rotbuch. Schneider überließ ihnen seine Erzählung, und „Lenz“ wurde ein Bestseller. Das Buch erzählt die Geschichte eines desillusionierten linken Aktivisten, der nach Italien geht, das schöne Leben kennenlernt und erkennt, wie der linkstheoretische Dogmatismus der sinnlichen Wahrnehmung der Wirklichkeit im Weg steht. „Lenz“ gilt als Gründungsakte einer zivilen Linken, als Vorläufer der die Literatur Ende der siebziger Jahre dominierenden „Neuen Subjektivität“.

Der Schriftsteller Schneider ist den Problemstellungen seines Lenz treu geblieben. In seinen Romanen tauchen immer wieder treue 68er auf, gescheiterte 68er, gewendete 68er, die versuchen, die alten Ideale mit den Anforderungen der Gegenwart zu verbinden.

Wie schwer das ist, dokumentiert der Verkauf von Rotbuch: Die einstigen Leistungen zählen höchstens noch auf symbolischer Ebene. Selbst Klaus Wagenbach beklagte vor einigen Jahren, als er erfolglos versuchte, sich die Rotbuchnamensrechte zu sichern, „dass dieser Name als GmbH-Mantel durch die Lüfte der freien Marktwirtschaft fliegt“. Aber auch Peter Schneider sah bei Rotbuch nicht auf ewig seine Heimat. Schon seine zweite große Erzählung „Der Mauerspringer“ erschien 1981 beim Luchterhand Verlag, und seit Anfang der neunziger Jahre ist er Autor bei Rowohlt.

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