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Meinung: Im Engagement

Von CarlChristoph Schweitzer WO IST GOTT? Zwischen Gott und jedem seiner Geschöpfe gibt es eine „Telefonleitung".

Von CarlChristoph Schweitzer

WO IST GOTT?

Zwischen Gott und jedem seiner Geschöpfe gibt es eine „Telefonleitung". Wir am anderen Ende sollten uns um Zweierlei bemühen: Darauf zu achten, ob und wann es klingelt und dann den Hörer abnehmen – und auch mal selber anrufen. Sonst ist die Leitung tot. Warum vernehmen viele von uns überhaupt keine Anrufe, wen schützen Schutzengel und wen nicht? Auf diese großen Fragen hilft uns die Lehre - die ich selber für richtig halte - vom freien Willen der Menschen ebensowenig weiter wie die jahrtausendealte Frage nach einem „gerechten" Gott.

Als gelernter Historiker staune ich, wenn ich lese, wie sich Georg W. Bush als oberster Kriegsherr der USA angeblich direkt inspirieren ließ durch eine vermeintliche Stimme Gottes, die ihm befahl, gegen einen bestimmten Diktator und damit auch gegen dessen Volk in den Krieg zu ziehen – während ein anderes Staatsoberhaupt, Johannes Rau, der gewiss im Stillen ebenfalls um Rat für seine Lebensgestaltung und sein politisches Handeln bittet, zu ganz anderen Schlüssen in derselben Frage kam. Ich fühlte mich an den „eisernen", Kanzler Otto von Bismarck erinnert, der – wie Bush – in seiner Jugend Maienblüte ein Leben als „toller Junker" führte. Um dann, bekehrt von der pietistischen Familie seiner Frau, nach der Reichsgründung immer wieder die täglichen „Bibel-Losungen" der evangelischen Brüdergemeinde zu lesen. Er hat sie mit Randbemerkungen kommentiert und gelegentlich in Relation zu anstehenden politischen Entscheidungen gesetzt. Bismarck äußerte sich aber nie absolut sicher in Bezug auf das, was ihm sein Gott durch Worte der Bibel zu sagen schien. Er war vielmehr von Zweifeln geplagt. Das hätte auch Bush gut angestanden.

Als Anleitung – nicht nur für Politiker – genügt eigentlich das Wort: „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst". Damit bin ich bei einer zentralen Botschaft der ältesten Bürgerinitiative in Deutschland. Die 1957 gegründete „Aktion Gemeinsinn" wird in diesen Tagen mit ihrer Jahreskampagne „Nicht maulen – mitmachen" den Blick darauf lenken, was jeder und jede einzeln oder zusammen für die Gemeinschaft tun können: Indem wir uns „für Gotteslohn“ für andere Menschen einsetzen, aus einer Verbindung von Eigeninteresse und Altruismus. Das Eigeninteresse speist sich aus der Erkenntnis, dass wir in der globalisierten Welt alle in einem Boot sitzen und damit zum Gemeinsinn verpflichtet sind. Seine Praktizierung darf im Konkreten dem Eigenwertgefühl sehr wohl zugute kommen – weil wir uns ja auch selber lieben dürfen.

Gott handelt mit und durch Personen, die denen helfen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, die Positives in Gang bringen. Bei allen Handelnden im großen und kleinen Welttheater kommt es darauf an, was hinter der Schauspielermaske an echtem Kern steckt, und nicht darauf, welche Sprechblasen ohne eine Fundierung von Werten hörbar sind. Diese Werte können sich aus ganz unterschiedlichen Quellen speisen. Für mich kommen sie aus den unübertroffenen Maximen der Bergpredigt des Neuen Testamentes.

Der Autor ist Prof. em der Universität Bonn und Vorsitzender der Aktion Gemeinsinn .

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