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Meinung: Im Schatten der Datenberge

Bis Sonntag soll der Irak eine Liste seiner Waffen vorlegen – er wird dabei auf Zeit spielen

Die ersten Tests hat Saddam Hussein bestanden. Der Irak hat die Waffeninspekteure empfangen und bisher gut mit ihnen zusammen gearbeitet. Es ist wahrscheinlich, dass sich ihnen auch in Zukunft alle Türen öffnen. Vielleicht hat der Irak inzwischen wirklich keine Massenvernichtungswaffen mehr, vielleicht sind sie in den vergangenen vier Jahren, in denen es keine Inspektionen gegeben hat, aber auch nur gut versteckt worden. Dies ist denkbar, wenn man sich die früheren Waffenkontrollen anschaut, bei denen belastendes Material durch die Hintertür beiseite geschafft wurde.

Also richtet sich die Aufmerksamkeit der Welt auf den zweiten Test, der diese Woche ansteht: Der Irak muss bis Sonntag eine vollständige Liste seiner Programme zur Herstellung chemischer, biologischer und nuklearer Waffen und entsprechender Trägersysteme vorlegen. Obwohl Irak bestreitet, Massenvernichtungswaffen zu besitzen, wird das Regime wahrscheinlich ausführliche Unterlagen über Fabriken und Forschungsanlagen abgeben, in denen zu zivilen Zwecken mit Produkten gearbeitet wird, die auch zu militärischen Zwecken verwendet werden könnten. Ende Oktober bei den Gesprächen über die Rückkehr der Waffeninspekteure hatte der Irak mehrere CD-Roms abgegeben mit Informationen über die Entwicklung in den vergangenen vier Jahren. Die Tausenden von Seiten konnten nicht „über Nacht“ ausgewertet werden, wie der Chef der Waffeninspekteure, Hans Blix, damals anmerkte. Es ist also wahrscheinlich, dass der Irak nun erneut auf Zeit spielen wird.

Sicher können die USA unter Berufung auf ihre Geheimdienste erklären, die Angaben Saddams seien unvollständig oder falsch. Aber beweisen können die USA dies der Welt so leicht nicht. Zwar werden einige der zum Krieg entschlossenen Mitglieder der US-Regierung jede Gelegenheit wahrnehmen, Saddam Hussein der Lüge zu überführen – doch die anderen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates werden dabei im Zweifelsfall nicht mitziehen – jedenfalls nicht ohne ausreichende Belege. Dass die Meinungen darüber, wann eine erhebliche Verletzung der UN-Resolution 1441 vorliegt, auseinander gehen, wurde bereits bei dem amerikanischen Versuch deutlich, den Beschuss von US-Flugzeugen, die seit 12 Jahren die Flugverbotszonen kontrollieren, als Verstoß gegen die Resolution zu interpretieren. UN-Generalsekretär Kofi Annan hat diese Auslegung strikt zurückgewiesen, da es in der Resolution um die Sicherheit der UN-Waffeninspekteure gehe.

Man kann davon ausgehen, dass der Irak alles vermeiden wird, um die Resolution offensichtlich zu verletzen. Dann bleibt nur die Möglichkeit, dass ein Überläufer Informationen bietet, die Saddam Hussein der Lüge überführen – wenn er denn tatsächlich weiter an Massenvernichtungswaffen gebastelt hat. Auch dies ist eine Lehre der Vergangenheit: Was die Waffeninspekteure in jahrelanger Arbeit nicht schafften, lieferten die abtrünnig gewordenen Schwiegersöhne Saddam Husseins: Einblick in das biologische Waffenprogramm des Irak.

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