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Meinung: Im Spiel bleiben

Warum Ahmadinedschad zur Fußball-WM ruhig nach Deutschland kommen kann

In Deutschland, vormals West-Deutschland, wurden schon viele zwielichtige Staatsoberhäupter empfangen. Im Mai 1973 kam Leonid Breschnew, der Diktator des Gulag. Der Sowjetkommunismus brach später trotzdem zusammen.

Legendär war auch der große Empfang für Erich Honecker im September 1987. Honecker, verantwortlich für unzählige Mauertote, wurde von Helmut Kohl begrüßt. Anschließend reiste er quer durch die Bundesrepublik. Hermann Axen, Mitglied des SED-Politbüros, gab damals zu Protokoll: „Der offizielle Besuch des Genossen Erich Honecker in der BRD wird die geschichtlich stärkste Aktion zur Durchsetzung der Souveränität der DDR.“ Gut zwei Jahre später fiel die Mauer.

Nun tobt Streit um einen möglichen Besuch des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft. Denn Ahmadinedschad ist nicht nur Fußball-Fan, sondern auch Holocaust-Leugner. Außerdem will er den Staat Israel auslöschen, wenn’s sein muss mit Atombomben. Seine jüngste Provokation: Stolz verkündete er, dass die Islamische Republik jetzt in der Lage sei, Uran so stark anzureichern, dass es in Atomkraftwerken genutzt werden kann.

Das verschärft erneut die Spannungen mit dem Westen. Längst gelten Teherans Atombombenpläne als die größte sicherheitspolitische Gefahr. Am Wochenende erst hatte der US-Journalist Seymour Hersh über Planungen der Bush-Administration berichtet, die auch einen nuklearen Angriff auf einen unterirdischen Urananreicherungsbetrieb umfassen. Die Sache spitzt sich zu. Der Ölpreis steigt. Die Zeit für eine Verhandlungslösung wird knapp.

Sollte vor diesem Hintergrund ein Empfang für Ahmadinedschad in Deutschland erwogen werden? Aus rein rechtlichen Gründen lässt sich ihm die Einreise offenbar nicht verbieten. Als Staatsoberhaupt genießt er Immunität. Wegen Volksverhetzung kann er kaum belangt werden, weil die mutmaßlichen Straftaten nicht im Inland begangen wurden. Folglich handelt es sich allein um eine politisch-moralische Entscheidung. Ahmadinedschad könnte zur unerwünschten Person erklärt werden.

Wäre das klug? Das ist die entscheidende Frage. Denn nicht alles, was anständig ist, ist auch vernünftig. Tugendhaft wäre es zweifellos, Ahmadinedschad nicht kommen zu lassen. Nur: Das zementiert den Status quo, mehr nicht. Wir hätten unser Gewissen befriedigt, aber nichts erreicht. Der Unerwünschte könnte sich abermals zum Märtyrer stilisieren, den Westen geißeln, sich einigeln.

Ergebnisoffener wäre es, auch Ahmadinedschad ein Gastgeber zu sein. Zum einen gibt es genügend Mittel, ihn die Missbilligung seiner Politik spüren zu lassen. Da sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Es wäre ein direkter, intensiver Dialog. Zum anderen hat der Westen nichts zu verlieren. Seine Position wird der iranische Präsident durch einen Besuch in Deutschland nicht weiter festigen. Er riskiert mit einer Reise mehr als wir. Manchmal ist Pragmatismus besser als symbolische Prinzipienfestigkeit. Erst recht dann, wenn’s um Krieg oder Frieden geht. Und in zwei Jahren geht’s nach China, zu den Olympischen Spielen.

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