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Meinung: Im Übrigen bin ich der Meinung

Wie uns Otto Schily trotz markiger Worte im Unklaren lässt

Von Robert Birnbaum

Die Frage, ob Minister nachdenken dürfen, mag ein bisschen verrückt klingen, aber man wird gleich sehen: Sie ist es nicht. Otto Schily hat nachgedacht. Er hat es nicht still für sich getan, sondern öffentlich. Der Bundesinnenminister hat uns via „Spiegel“-Interview alle an seinem Nachdenken teilnehmen lassen. Zu einem Ergebnis ist er noch nicht gekommen, auch das erfahren wir. Aber genau darin liegt ein Problem.

Denn laut sinniert hat Schily über den Terror und wie die Welt mit ihm fertig werden kann. Dabei sind ihm ein paar markige Sätze eingefallen und ein paar verschwommene: „Die Terroristen sollten aber auch wissen: Wenn ihr den Tod so liebt, dann könnt ihr ihn haben“, war ein markiger. Eher verschwommen dafür die Erwägung (am Beispiel der von Israel erschossenen Hamas-Führer), ob es nicht ein Notwehrrecht bereits gegen solche Terroristen gebe, die Anschläge nur planten: „Das führt uns zu der Frage, ob im äußersten Fall auch die Tötung einer Person als Notwehr zu rechtfertigen ist.“ Und, Herr Schily, was sagen Sie darauf? „Das ist eine sehr heikle Frage.“ Das ist eine sehr heikle Antwort.

Es kann sich nämlich jeder das Seine dabei denken. Die Gutwilligen mögen sich beruhigen, dass der Bundesinnenminister einfach nur mal zeigen will, wie schwierig die Welt geworden ist und an welche Grenzen die vertraute Einteilung in Polizei-, Völker- und Kriegsrecht in Zeiten stößt, in denen die Gegner keine Staaten mehr sind, sondern kleine Banden und Einzelne. Andere aber können durch Schilys angedeutete Gedankengänge durchaus auf die Idee kommen, der Minister finde die vorsorgliche Erschießung hoch verdächtiger Terror-Planer erwägenswert.

Hat Schily diesen zweiten Eindruck bewusst erweckt oder nur billigend in Kauf genommen? Er glaubt ja wohl selbst nicht, dass sich zum Selbstmordattentat entschlossene Fanatiker davon beeindrucken lassen, dass der deutsche Innenminister ihnen als Konsequenz ihres Tuns den Tod vor Augen stellt. Wer also sonst soll beeindruckt werden? Vielleicht wir, als Leser, als Wähler?

Wir sind aber gar nicht beeindruckt, sondern eher verwirrt. Einen Mann mit einem Sprengstoffgürtel um den Bauch in einer Fußgängerzone erschießen darf ein Sondereinsatzkommando heute schon. Einen mutmaßlichen Terroristen-Unterschlupf stürmen und bei Gegenwehr zurückschießen darf es auch. Ein entführtes Flugzeug abschießen darf die Bundeswehr demnächst, analoge Vorschriften für gekaperte Schiffe sind in Arbeit. Wovon also redet der Minister? Er sagt es nicht. Ist es vielleicht so, dass wir es nur mit einem Fall von Imponiergehabe zu tun haben? Wegschließen für immer – das hat ähnlich hilflos der Kanzler einmal gedröhnt, nur zu gut wissend, dass solche Drohung kein Kind vor seinem Mörder schützt.

Viele Fragen an Otto Schily, zu viele an einen Verfassungsminister. Der muss sich Gedanken machen, ob unser Instrumentarium – auch das rechtliche – neuen Bedrohungen gewachsen ist. Taugt die historische Trennung von innerer und äußerer Sicherheit noch? Oder die von Geheimdienst und Polizei? Nachdenken muss der Minister darüber, auch laut. Düster raunen, zweideutig drohen darf er nicht. Es ist ja nicht einmal klug. So wehrlos sind wir gar nicht, dass wir die Rambo-Lizenz brauchten. Wir müssen auch niemandem imponieren. Wir müssen Terroristen, bevor sie bei uns Unheil anrichten können, finden und fangen.

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