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Meinung: Im Umgang der Menschen miteinander geht der Respekt immer mehr verloren

Zum Rücktritt des Bundespräsidenten Was man im Tagesspiegel lesen konnte, weckt bei mir Verständnis für Herrn Köhlers Begründung: Respekt vor dem Amt spüre ich in der Berichterstattung nur bedingt. Stattdessen wird Herrn Köhler sofort vorgeworfen, er sei feige und zu dünnhäutig.

Zum Rücktritt des Bundespräsidenten

Was man im Tagesspiegel lesen konnte, weckt bei mir Verständnis für Herrn Köhlers Begründung: Respekt vor dem Amt spüre ich in der Berichterstattung nur bedingt. Stattdessen wird Herrn Köhler sofort vorgeworfen, er sei feige und zu dünnhäutig. In meiner Wahrnehmung sieht es anders aus: Der Schritt war mutig. Dickhäutige, unsensible Staatsrepräsentanten haben wir genug.

Johann-Christian Jodock,

Berlin-Kreuzberg

Man stelle sich mal vor, ich würde als Konzertcellist mitten in der Aufführung aufstehen und sagen: „Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich trete als Cellist zurück, das war’s jetzt, denn meine letzte Kritik hat mir nicht gefallen.“ Würde mich das enttäuschte Publikum dann mit großem Respekt verabschieden? Wohl kaum, es würde zu Recht sein Eintrittsgeld zurückverlangen.

Ganz anders unsere derzeitige politische Kaste, sie werfen ihre Ämter weg wie gebrauchte Taschentücher, um dann in der Wirtschaft weit lukrativer ihre Karriere fortsetzen zu können. Dabei versuchen sie auch noch, sich als Ehrenmänner darzustellen!

Rüdiger Zippelius, Berlin-Neukölln

Der Bundespräsident hat doch lediglich die pure Wahrheit gesagt! Ist zwar außergewöhnlich für Politiker und wohl aus Versehen passiert, aber wo ist das Problem? Natürlich geht es beim Afghanistan-, Irak- und sonstigen Kriegen einzig und allein um Rohstoffe, Strategien und Handelswege. Wer glaubt, es ginge um Humanität oder Demokratie, glaubt sicher auch noch an den Klapperstorch!

Stephanie Johanna Goldbach,

Berlin-Charlottenburg

Genau das ist der positive Aspekt bei Köhlers Rückzug: dass sich der höchste Amtsträger im Land hinstellt und Politikern aller Couleur deutlich macht: Für euer Spiel stehe ich nicht länger zur Verfügung, auch wenn es mich das Amt kostet. Ein Spiel, bei dem es weniger um die Kunst der Staatsführung geht – das nämlich wäre Politik –, sondern mehr um die Kunst der Machterlangung mittels niveauloser Methoden wie Skandalisierung, Herabsetzung oder Vorverurteilung.

Ethik geht vor Karriere – das ist Köhlers letzte Aussage aus seinem Bundespräsidentenamt heraus.

Susanne Baumstark, Berlin-Moabit

Anstatt an der Bewältigung der Krise tatkräftig mitzuwirken, hat Köhler sich wie ein geprügelter Hund davongemacht. Er begründete sein Verhalten mit der Kritik an seinen Äußerungen zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr. In Zeiten, in denen selbst am Papst Kritik geäußert wird, befindet sich auch ein deutscher Bundespräsident nicht mehr im kritikfreien Raum. Horst Köhler wird deshalb als der Bundespräsident in Erinnerung bleiben, der sein Volk, als es ihn brauchte, im Stich gelassen hat.

Klaus Fensch, Birkenwerder

Köhlers Rücktritt ist mit seiner Begründung nicht zu akzeptieren. Noch eine Woche zuvor besuchte er unsere Soldaten in Afghanistan und versprach ihnen, sich für ihre Belange daheim einzusetzen. Quittieren diese einfach ihren Dienst? Welches Vertrauen werden diese Soldaten je wieder in einen Präsidenten haben?

Unser Land muss zurzeit mit vielen Krisen fertig werden. Welches Vertrauen bleibt den Bürgern in die Demokratie, den Staat und seine Verfassungsorgane, wenn der erste Mann im Staat einfach geht? Herr Köhler, Sie haben dem Präsidentenamt und Deutschland schweren Schaden zugefügt.

Maren Eschbach,

Berlin-Waidmannslust

„R - E - S - P - E - K - T!“

von Rüdiger Schaper vom 2. Juni

Chapeau! Wirklich schneidig, diese Attacke auf den Herrn Bundespräsidenten. Und so mutig, wie Sie es dem hohen Herrn einmal gezeigt haben! Flotte Schreibe, aber – leider – mehr auch nicht. Ihr Artikel wirkt weder sonderlich kompetent noch informiert noch klug. Dass Köhler zur Finanzkrise nichts zu sagen gewusst hätte, kann nur behaupten, wer seine Äußerungen nicht zur Kenntnis genommen hat. Den Bundespräsidenten mit einem Ghetto-Rapper oder einem Fußballrowdy auf eine Stufe zu stellen, das ist vom Niveau nicht mehr zu unterbieten. Kann man solche Äußerungen noch ernst nehmen? Aber warum so laut, so schrill?

Christoph Türcke hat ein kluges Buch geschrieben, „Erregte Gesellschaft“. Wenn einer Gesellschaft der Sinn für Bedeutung und Sinn abhanden gekommen ist, dann lebt sie von Erregung und Sensation, die schnell verbraucht wird und durch immer neue Sensationen und Skandale aufgefrischt werden muss. Manche Vertreter der schreibenden Zunft bedienen dieses Bedürfnis, eigentlich meistens beim Boulevard.

Dr. Uwe Langendorf,

Berlin-Schmargendorf

Was ist falsch an Respekt? Mit Befremden muss ich feststellen, dass dieser, besonders im Umgang der Menschen miteinander, immer mehr verloren geht. Horst Köhler hat die Konsequenzen aus der Diskussion der letzten Wochen gezogen und sich für den Rücktritt entschieden. Seine Erklärung dafür nennt mit Sicherheit nicht alle Gründe dafür. Vielleicht gab es „bessere“ Bundespräsidenten als ihn, aber hat das bis zum 31. Mai jemanden gestört? Ist es bis dahin überhaupt jemandem aufgefallen? Plötzlich wird von vielen Seiten Kritik laut und es wird angekündigt, dass sein Nachfolger besser ein erfahrener Politiker sein sollte. Ich bezweifle, dass das in der gegenwärtigen Situation das entscheidende Kriterium für dieses Amt ist. Im Übrigen empfinde ich eine solche Forderung kurz nach seinem Rücktritt als geschmacklos und, pardon, sie lässt den Respekt vor seiner Person schmerzlich vermissen.

Rita Dähn, Berlin-Mariendorf

Allein schon der Vergleich des höchsten Repräsentanten unseres Landes mit einem Sportler oder gar einem Rapper beweist, dass dieser einst feste Bestandteil unseres Wertesystems dem Autor ebenfalls verloren gegangen ist. Ehrlicherweise hätte Horst Köhler sagen müssen, dass (leider) wieder einmal Leute aus der zweiten, dritten politischen Reihe, die sonst nichts sagen, geschweige denn etwas für das Allgemeinwohl leisten, angepeitscht von einschlägigen Medien, um bloßer Publicity willen ihr Maul aufreißen, weil sie glauben, endlich bei einer staatstragenden Persönlichkeit einen Fehler gefunden zu haben. Schließlich wollen diese selbstverliebten Taugenichtse auch einmal wahrgenommen werden.

Es mutet einen schon seltsam, ja geradezu bedrohlich an, wenn man sieht, dass diese Hatz, die vor nichts und niemandem haltmacht, auch noch auf der Meinungsseite des Tagesspiegels protegiert wird. Wenn denn schon der Vergleich mit dem Sport herhalten soll, bitte schön: Auf Schiedsrichterbeleidigung folgt zwingend die rote Karte für den Spieler. Hier lag keine „Majestätsbeleidigung“ vor, sondern der Präsident beklagt zu Recht, dass immer mehr Leute sich daran ergötzen, dass ihr eigenes Staatsoberhaupt als demokratische Institution bespien und beschmutzt wird. Vor dieser Argumentation geht der Autor in Deckung … und da sollte er auch bleiben.

Michel Hammer, Berlin-Kladow

Mit seinem Text hat der Autor es verstanden, die Respektlosigkeit von einzelnen Politikern und Journalisten gegenüber dem Bundespräsidenten nicht nur zu begründen, sondern zugleich auf die Spitze zu treiben. Richtig ist sicher, dass es nicht klug ist, wenn ein Angegriffener selber für sich Respekt fordert. Aber man durfte doch erwarten, dass nach dem Rücktritt des Bundespräsidenten auch etwas Besinnung und Selbstkritik in unserem Land einsetzt, wie sie dem Ernst der Lage insgesamt angemessen wäre. Mit dem Hinweis auf das Recht zur Kritik wird immer wieder auch Häme und Stillosigkeit gerechtfertig. Aber es geht nicht um die Frage, ob Kritik an den Trägern wichtiger Ämter erlaubt ist (natürlich ist sie das), sondern um die Frage nach dem Stil, in dem solche Kritik erfolgt. Und da hat es ohne Zweifel viele Äußerungen gegeben, die den Anstand und den Respekt vermissen lassen, den ein Staatsoberhaupt verdient. Da ist im Übrigen viel Opportunismus dabei.

Als kritischer Zeitungsleser nimmt man sehr wohl wahr, dass dann, wenn eine Person des öffentlichen Lebens erst einmal zum Abschuss freigegeben ist, plötzlich jeder zeigen will, wie flott er draufhauen kann.

Dr. Karl-Heinrich Lütcke,

Berlin-Lichterfelde

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