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Meinung: Im wilden Südwesten

Die CDU in Baden-Württemberg vertreibt Erwin Teufel – und schwächt sich selbst

Von Robert Birnbaum

Krisen brauchen manchmal einen Katalysator zu ihrer Lösung. Vielleicht hat der Stuttgarter Staatsminister Palmer diese klärende Substanz geliefert, als er am Sonntag Abend einem Parteifreund zwei kräftige Ohrfeigen hineindrosch. Palmer wollte einen treffen, den er für einen Verräter an seinem Landesvater Erwin Teufel hielt. Er traf Teufel selbst. Spätestens die Maulschellen von Stuttgart mussten dem dienstältesten Ministerpräsidenten Deutschlands klar machen, dass sein CDU-Landesverband auf dem schlimmsten Wege war, das seit Wochen betriebene interne Hauen und Stechen ab jetzt wörtlich zu nehmen. Er hat die Konsequenz gezogen. Nach gut 14 Jahren an der Spitze der Landesregierung räumt der 65-Jährige im nächsten Frühjahr den Platz.

Das Aufatmen, das sonst gelegentlich den Abgang eines Patriarchen begleitet, dürfte ausbleiben. Zum einen, weil Teufel nicht freiwillig geht, sondern als Getriebener. Was Bernhard Vogel in Thüringen geschafft hat, den rechtzeitigen Abgang von einem gut bestellten Hof, hat der letzte der alten Männer der CDU nicht hinbekommen. Sein Fraktionschef Günther Oettinger drängelt und schiebt seit Jahren. In den letzten Wochen hatte der Eindruck, dass Teufel ernsthaft erwog, zur Landtagswahl 2006 noch einmal anzutreten, die Landespartei in offen verfeindete Lager gespalten; dreifach sogar, weil Oettinger in Kultusministerin Annette Schavan eine – seit diesem Montag nun auch erklärte – Gegenkandidatin hat. Gegen die Methoden, mit denen dieser Drei-Fronten-Kampf ausgefochten wurde und wird, ist die Ohrfeige übrigens ein ehrenwertes Instrument.

Teufel also hätte nur gegen gewichtige Teile der eigenen Partei an seinem Regierungs- und Parteiamt festhalten können. Die Lage war damit aussichtslos. Das ist umso fataler – zweiter Grund dafür, dass im Südwesten kaum einer aufatmet –, als Teufel die mit Abstand besten Chancen gehabt hätte, die satte Mehrheit der CDU bei der Landtagswahl 2006 noch ein fünftes Mal zu sichern. Der Mann hört schwer, ist ganz und gar talkshowuntauglich und sieht älter aus als er ist, aber mehr können ihm nicht mal Parteifeinde ans Zeug flicken.

Die Wähler hat das Altväterlich-Biederlistige nie gestört. Unter Schwaben und Alemannen gilt Glamour als verdächtig und solides Handwerk als die höchste Form der Regierungskunst. Die hat er beherrscht. Baden-Württemberg ist ein Erfolgsland geworden und geblieben, ökonomisch nach wie vor stark und, ähnlich wie das benachbarte Bayern, unter dem konservativen Deckanstrich oft ausgesprochen zukunftsträchtig und modern.

Aber was nützt aller Erfolg und alle Beliebtheit, wenn Teufel 2006 mit einer Mannschaft hätte kämpfen müssen, von der die Hälfte mit blitzendem Dolch hinter ihm gestanden hätte? Das alles war seit Monaten absehbar. Erkennbar auch, dass der mit 51 Jahren nicht mehr so ganz junge Wilde Oettinger keine Lust hatte, weiter nach Prinz- Charles-Manier auf den Thron zu warten. Aber Teufel wollte nicht sehen. Er ließ, vom Morbus Biedenkopf infiziert, die Chance auf rechtzeitigen und ehrenvollen Abschied aus. Damit verstrich auch seine Chance, die Nachfolge in seinem Sinn zu gestalten.

Nun läuft sie gegen seinen Sinn auf Oettinger zu, einen Mann von scharfem, deshalb manchmal unkonventionellem Verstand. Von Teufels Popularität ist er ein gutes Stück entfernt. Annette Schavan, zur Volkstribunin gänzlich untauglich, räumen selbst ihre Sympathisanten nur Außenseiterchancen ein.

Trotzdem sorgt das Duell dafür, dass der stärkste CDU-Landesverband weiter nicht zur Ruhe kommt. Wenn Teufel geht, wird es nur noch ein gutes Jahr bis zur Landtagswahl sein. Sehr wenig Zeit für einen Neuaufbau. Dass die Christdemokraten ihr Stammland verlieren könnten, nein, da sei die SPD und ihre Spitzenkandidatin Ute Vogt vor. Aber einen glanzvollen Sieg im letzten wichtigen Stimmungstest vor der Bundestagswahl sollte Angela Merkel lieber mal nicht einplanen.

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