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Immer auf die Lehrer: Da trifft einen der Schlag

Prügelknaben – ja, das sind Lehrer häufig genug, die der ganzen Nation, nicht nur in Berlin. In dieser Stadt aber besonders häufig. Zuweilen sind es nicht nur geringschätzige Urteile, sondern richtige Schläge, die Lehrer einstecken müssen. Wie jetzt der Pädagoge einer Berliner Schule, und zwar ausgerechnet einer, die für ihre Gewaltprävention bekannt ist.

Wer Lehrer in Deutschland ist, muss schmerzresistent sein. Faule Säcke, so hat der Basta-Kanzler Gerhard Schröder sie einmal abgekanzelt, da hat das Volk gejohlt. Mit der Wirklichkeit hat das wenig gemein, vor allem nicht in der Hauptstadt. Jeder dritte Schulanfänger kommt hier aus einer Migrantenfamilie, manche Schule hat kein einziges deutsches Kind, in den Hauptschulen konzentrieren sich Problemschüler, nirgendwo gibt es so marode Lehrgebäude, fehlen selbstverständliche Arbeitsmittel wie Computer oder selbst Schreibtische für die Pädagogen. Und dann bekommen die Lehrer auch noch öffentliche Prügel für die schlechten Ergebnisse bei Pisa, Iglu oder anderen Vergleichsstudien.

Das Land Berlin mutet den 30 000 Lehrern einiges zu. Die gesellschaftlichen Probleme werden auf ihren Schultern abgeladen und den Pädagogen dazu die Verantwortung für eine nächste Generation aufgebürdet. Sie müssen häufig die Autorität ersetzen, die Kinder nicht mehr in ihren Familien erfahren – wo sich niemand kümmert, ob die Jugendlichen die Schule schwänzen oder herumpöbeln. Viel zu häufig sind Lehrer die einzigen Erzieher. Und das in Klassen mit 30 Kindern. Sie leisten Integrationsarbeit, vermitteln Wissen fürs Leben und müssen Aggressionen kanalisieren – darüber schwindet bei vielen engagierten Lehrern die Kraft.

Richtig, jeder Arbeitnehmer muss heute flexibel sein, Neues lernen, mehr leisten. Berlins Lehrer müssen länger arbeiten als früher, sie werden nicht mehr verbeamtet und junge Pädagogen erhalten für die gleiche Arbeit 600 Euro weniger als zum Beispiel in Hamburg, wo auch eine Beamtenstelle winkt. Zugleich hat die Politik ihnen immer neue Reformen verordnet, mussten sich Pädagogen für jahrgangsübergreifendes Lernen bis hin zum Ethik-Unterricht fortbilden. Nun soll das Referendariat verkürzt werden, die Nachwuchskräfte werden damit noch weniger darauf vorbereitet, wie sie mit Verwahrlosung, fehlenden Werten, Macho-Gehabe oder hyperaktiven Kindern umgehen können.

Da soll man sich nicht nach den Ferien sehnen? Woran es Berlin fehlt, kann jeder Bildungspolitiker der Stadt herunterbeten: vor allem an jungen Lehrern, die nach ihrer Ausbildung in Berlin bleiben. Schulsenator Jürgen Zöllner hat mit pragmatischem Talent und Blick für kleine Stellschrauben einige Probleme entschärft: mehr Eigenverantwortung für Rektoren, neue Stellen, eine Krankheits-Reserve. Selten zuvor hat ein Schuljahr so reibungslos begonnen, selten gab es so wenig Klagen über Unterrichtsausfall wie 2008. Das soll reichen? Nein, tut es nicht.

Solange Lehrer reparieren sollen, was im Elternhaus schiefgeht, solange sie Kinder mit unzureichenden Mitteln auf die moderne Wissensgesellschaft vorbereiten sollen, Sozialkompetenz vermitteln und dazu die ethischen Grundwerte unserer Gesellschaft – so lange kann ein engagierter Lehrer nur scheitern. Übrigens, Vorbild, an denen sich Schüler fürs Leben begeistern, sollen sie möglichst auch noch sein. Diese Erwartungen sind die Schläge, die wohl am meisten schmerzen.

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