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Meinung: Immer wieder grüßt der Castor

In diesen Tagen des Castors ist es, wie es immer in den Tagen des Castors war. Ein paar Tausend Menschen demonstrieren in Uelzen, Lüneburg und Dannenberg.

In diesen Tagen des Castors ist es, wie es immer in den Tagen des Castors war. Ein paar Tausend Menschen demonstrieren in Uelzen, Lüneburg und Dannenberg. Ein paar Hundert Menschen reisen aus den Großstädten in die Gegend um das Dorf Gorleben. Sie wohnen bei eisigen Temperaturen auf dem Heuboden, sitzen auf der Straße und behindern den Transport so gut es geht. Ein paar Unverdrossene ketten sich an Bäume oder irgendwo im Wald an Schienen.

Um diese altbekannten Aktionen der Anti-AKW-Bewegung so weit wie möglich zu verhindern, hat die niedersächsische Landesregierung Zehntausende Polizisten und Bundesgrenzschützer in die Region geholt. Sie leben wieder einmal in Containern und Turnhallen, schlafen zu wenig und frieren zu viel an ihren Streckenposten. Es ist wie immer in den Tagen des Castors, man kennt sich, man mag sich nicht, aber langsam versteht man sich.

Immerhin das hat die Anti-AKW-Bewegung in den vergangenen Jahrzehnten geschafft: Die Mehrheit der Bevölkerung ist für den Ausstieg aus der Atomenergiegewinnung. Die Argumente für diese Einstellung hat schon immer die Atomindustrie selbst geliefert, wenn sie auch nur wenige hören wollten. Erst vor wenigen Wochen wurde durch die Vorkommnisse im AKW Philippsburg wieder bekannt, wie schlampig in den deutschen Atomkraftwerken geprüft wird und in welchem Maße Sicherheitslücken von den Betreibern vertuscht werden. Auch das ist ein Verdienst der Atomkritiker: Sie haben jahrzehntelang Daten und Fakten zusammengetragen, aufgeklärt und sind für ihre Überzeugung auf die Straße gegangen - obwohl sie berufliche Nachteile hatten und ihr Privatleben bespitzelt wurde.

Aber mögen die Atomkraftwerke auch ein Sicherheitsrisiko sein und die Castor-Behälter von außen verstrahlt und trotz aller Beteuerungen eben nachweislich nicht gegen Unfälle resistent - ein AKW ist deswegen in diesem Land noch nicht stillgelegt worden. Die Atomindustrie beharrt weiter darauf, kein Sicherheitsrisiko darzustellen, auch nachdem gezielt herbeigeführte Flugzeugabstürze auf große Gebäude keine reine Fantasie mehr sind. Ja die Industrie behauptet, selbst bei Anschlägen das Geschehen innerhalb eines Reaktors von außen kontrollieren zu können. Das ist aus technischen und baulichen Gründen unglaubwürdig. Beruhigend wirkt in diesen Zeiten allenfalls, dass das Gesetz zum Ausstieg aus der Atomkraft kurz vor seiner Verabschiedung steht. Die Atomgesetznovelle bietet trotz aller Kritik daran immerhin die Perspektive, dass dem ruhenden Schrecken in den laufenden Atomkraftwerken ein Ende bereitet wird. Das jedoch möchte die Anti-AKW-Bewegung in den Wäldern um Gorleben nicht wahrhaben. Die Aktionisten beschränken sich auf den ihnen vertrauten Protest und vergeben erneut die Chance, politisch ernst genommen zu werden.

Wie jedes Gesetz bietet auch die Atomnovelle einen Spielraum, zum Beispiel bei der Frage der Laufzeiten. Die Anti-Atom-Bewegung schafft es nicht, einige Zehntausend Menschen nach Berlin zu bringen und dort für ein früheres Abschalten der AKWs zu demonstrieren. Sie schafft es nicht, von lieb gewordenen Symbolen Abstand zu nehmen und Gorleben als ein Relikt der Vergangenheit anzuerkennen, in dem aus praktischen und völkerrechtlichen Gründen nun aber einmal der Müll gelagert wird. Die AntiAtom-Bewegung vergibt die Chance, in diesen Zeiten des erhöhten Sicherheitsbedürfnises als Mahner für die Sicherheit aller dazustehen und nicht als unnötige Beschäftigungsmaßnahme für überstrapazierte Polizisten.

Ulrike Fokken

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