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Meinung: In den Senat investieren

Berlin sucht einen Nachfolger für Gysi und den Weg aus der Krise

Von Gerd Nowakowski

Für die schönsten Momente seiner kurzen Amtszeit als Wirtschaftssenator musste Gregor Gysi ziemlich weit fliegen. Wie vor vier Wochen nach New York: Party-Talk mit Supermodell Naomi Campbell, mit der Stretch-Limousine in die Wall Street, Foto-Shooting mit Coca-Cola-Bossen. Ein echter Sozialist aus Berlin, und so charming – das war was für die Amerikaner. Nur Investitionsprojekte brachte er nicht mit nach Hause. Aber vor allem die braucht das bankrotte Land Berlin. Wenn die Hauptstadt gesunden soll, dann ist das nicht allein mit einem rigorosen Sparkurs und Finanzhilfen des Bundes zu schaffen, sondern erst durch die Ansiedlung von Unternehmen und mehr Steuereinnahmen.

Seine Aufgabe hatte sich der PDS-Star spürbar anders vorgestellt: Mit leichter Hand die harten Kapitalisten einwickeln und zeigen, wie ein Land wieder auf die Füße gebracht wird. Welche Last da auf ihn wartete, hatte er sich wohl nie so richtig klar gemacht. Statt frohe Botschaften zu verkünden, wurde Gysi zum amtlichen Überbringer schlechter Nachrichten: Insolvenz des Büroartikelproduzenten Herlitz mit 3000 Beschäftigten, Abwanderung des Sprudelabfüllers Spreequell nach Brandenburg, Arbeitsplatzabbau bei Babcock – immer blieb Gysi nur der hilflose Part. Die positiven Reaktionen der Unternehmer auf den amüsanten Plauderer und aufmerksamen Zuhörer konnten den Frust nur anfänglich ausgleichen. Da konnte Gysi noch so sehr Akten fressen, wenn es hart auf hart kam, dann zählten allein die betriebswirtschaftlichen Eckdaten.

Ein halbes Jahr im Amt und schon entzaubert. Glitzern konnte Gysi nur noch auf anderen Feldern, im Amt wurde er immer grauer. Gysi geht, ohne Spuren zu hinterlassen in seinem Ressort. Es gibt lediglich Ansätze für eine effektivere Wirtschaftsförderung, doch das Bürokraten-Dickicht, in dem viele Investoren entmutigt aufgeben, ist noch zu roden. Das hat Gysi unterschätzt. Dann lieber ein Ende mit Knalleffekt und dem Versuch, einen Mythos zu schaffen und sich selbst auf einen moralischen Sockel zu heben – der letzte Coup des Politikers Gysi.

Und nun? Jetzt stellt die PDS einen neuen Wirtschaftssenator, wie für die Ressortverteilung im Koalitionsvertrag vereinbart? Das kann der Berliner SPD nicht egal sein. Gregor Gysi war schließlich der Garant dafür, dass die rot-rote Koalition auch im Westteil der Stadt akzeptiert wird. Und in der Wirtschaft ebenfalls. Doch der Regierende Bürgermeister hat bislang nicht erkennen lassen, ob er den Koalitionsfrieden über die Aufgabe stellt, für das Amt eine Persönlichkeit mit bundesweiter Ausstrahlung zu finden. Bei der PDS ist kein Kandidat in Sicht, der das notwendige Format hat. Gysis Abtritt macht vielmehr unübersehbar, welch politischen Leichtgewichte die beiden anderen PDS-Senatoren sind. Wowereit muss sich entscheiden – für den Konflikt mit dem Koalitionspartner und für einen parteilosen Fachmann. Entscheidend nämlich ist, ob der SPD noch zugetraut wird, die Probleme Berlins zu lösen. Eine schwache PDS zieht auch die SPD nach unten.

Krise, welche Krise? Wowereit hat erklärt, er habe seinen Urlaub nur unterbrochen und werde zurückkehren in sein Feriendomizil. Das muss die Bundespartei alarmieren. SPD-Generalsekretär Müntefering will Rot-Rot in Berlin aus dem Bundestagswahlkampf heraushalten. Keine weitere Munition für Stoiber. Je länger aber die Nachfolge offen bleibt, um so unberechenbarer wird die Entwicklung. Am Ende könnten Neuwahlen in Berlin die Alternative werden. Nichts geht ohne Gysi. Das hat sich der Wirtschaftssenator vielleicht so gewünscht. Aber wäre das nicht doch zu viel der Ehre?

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