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Meinung: In Reue fest

Die Union braucht einen kurzen Krieg – um einig zu bleiben

Von Robert Birnbaum

Man kann in der Politik monatelang Recht haben – und am Ende doch das Spiel verlieren. Das ist eine ernüchternde Erfahrung. Die Union hat sie im Streit um Krieg und Frieden im Irak schon einmal im letzten Wahlkampf gemacht. Jetzt droht die Wiederholung. Am Vorabend des Irak-Kriegs tun sich CDU und CSU schwer damit, ihre Position zu rechtfertigen. Das liegt einmal daran, dass der Punkt erreicht ist, an dem die meisten Menschen in ihrer Angst und Sorge nur noch simple Antworten auf scheinbar simple Fragen hören wollen. Für diesen ewigen Sieg des Populismus in Krisenzeiten kann die Union nichts. Zum anderen aber liegt es daran, dass die Union sich bei aller Differenziertheit ihrer Argumentation um einige sehr simple Fragen stets gedrückt hat. Dafür kann sie sehr wohl etwas.

Wir müssen zur Erläuterung kurz zurück zum Anfang des Konflikts. Dort stehen einige grundsätzliche Fragen. Erstens: Ist der Irak Saddam Husseins so gefährlich, dass heute, spätestens aber morgen etwas gegen ihn unternommen werden muss? Die Bundesregierung hat anfangs Nein gesagt, später – in der Sicherheitsratsresolution 1441 wie im letzten EU-Gipfelbeschluss – wurde daraus ein Jein. Die Union hat das deutsche Nein als falsch kritisiert, sich aber letztlich selbst auch nie klar zum Ja bekannt.

Zweite Frage: War die US-Regierung so oder so zum Krieg entschlossen, oder gab es einen Weg, sie davon abzubringen? Die Bundesregierung hat in Sachen George W. Bush erst die Cowboy-Theorie vertreten. Dann hat sie sich auf Verhandlungen im Rahmen der UN eingelassen – allerdings, und das ging beim vorab festgelegten Nein auch nicht anders, mit dem offensichtlichen und vorrangigen Ziel, Bush so viele Knüppel wie möglich in den Weg zu werfen. Das konnte nur im amerikanischen Alleingang enden, wenn die eigene Cowboy-Theorie stimmte. An diesem Punkt der Debatte hatte die Union Recht mit dem Vorwurf, dass das deutsche Vorgehen den Krieg keineswegs unwahrscheinlicher machte, sondern nur Saddam Hussein im falschen Glauben bestärkte, er könne sich wieder einmal aus der Falle winden.

Wenn überhaupt, auch da hatten CDU und CSU Recht, wäre ein Krieg mit einer einheitlichen und zum Kompromiss fähigen Haltung der Europäer vermeidbar gewesen. Die selbst ernannte deutsch-französisch-russische Achse des Guten hat aber keinen ernsthaften Versuch unternommen, eine für die USA einigungsfähige Position zu benennen: also sich auf ein realistisches Ultimatum festzulegen, bis zu dem Irak abgerüstet haben müsste. Stattdessen hat man filibustert.

Wenn die Bundesregierung jetzt beklagt, Amerika schiebe den Sicherheitsrat beiseite, ist das also ziemlich scheinheilig. Aber der US-Alleingang stellt ebenso die Lebenslügen der Union bloß. Natürlich ist den wenigen erfahrenen Außenpolitikern in CDU und CSU der missionarische Ton der Bush-Leute nicht entgangen. Natürlich wissen sie, dass es falsch ist, wenn die einzige Weltmacht ihre Sicht der Dinge allen anderen aufdrängt. Aber sie haben nicht darüber geredet, um die eigene Position nicht noch weiter zu komplizieren. Dass das ein Fehler war, dämmert erst wenigen. Sicher, es hätte noch größerer Anstrengungen bedurft als ohnehin schon, die bitter illusionslose Position zu begründen, dass Krieg gegen den Irak weniger falsch sein könnte als ein letztlicher Triumph Saddam Husseins. Aber der Preis dafür, dass die Union sich partiell blind gestellt hat, ist hoch: Sie wirkt stärker, als sie es ist, als nibelungentreues Gefolge des großen Bruders.

Jetzt muss Angela Merkel hoffen, dass es ein kurzer Krieg wird ohne allzu schlimme Opfer. Sonst ist es mit der Ge- und Entschlossenheit in den eigenen Reihen rasch vorbei.

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