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Meinung: Ineffizient, teuer, unökologisch

Wohin mit der Kohle? Über Sinn und Unsinn einer neuen Idee Von Sylvia Kotting-Uhl

Die Energiekonzerne und ihre Propagandisten hatten sich mal darauf verlegt, die drohende Klimakatastrophe zu leugnen. Das ging lange gut. Inzwischen indes sind die Beweise für den Zusammenhang zwischen CO2-Emissionen und der Klimaveränderung zwingend. Heute reden unsere Energiemonopolisten daher gerne vom Klimaschutz. Ihre Vorschläge aber sind völlig andere, als die der Umweltbewegung: saubere Atomkraft, sauberes Erdöl, saubere Kohle.

Gegenüber den bald erschöpften Erdöl- und Erdgasquellen hat Kohle einen ganz entscheidenden Vorteil: Die Vorräte sind riesig, der Stoff ist den Menschen vertraut, die Probleme bei der Förderung sind eher gering. Doch Kohle hat einen heftigen Nachteil: Sie gilt als schmutzigste Form der Energiegewinnung, belastet die Atemwege und bringt einen gewaltigen CO2-Ausstoß mit sich. Doch das Hauptproblem, tönt es aus der Kohlelobby, sei gelöst: Mit „Carbon Capture and Storage“ (CCS) werden wir künftig die Segnungen der Kohle genießen können, ohne die Atmosphäre mit CO2 zu schwängern. Energie aus Kohle ist zwar nicht ohne die Entstehung von CO2 zu haben, dieses wird aber „sequestriert“, eingefangen und unter der Erde oder im Meer weggesperrt, bevor es unsere Luft belästigen kann. Im brandenburgischen Ketzin laufen seit dieser Woche die Bauarbeiten für ein Pilotprojekt. Doch was ist wirklich von der neuen Technik zu halten, die uns verspricht, aus schmutziger Kohle saubere Kohle zu machen?

Erstens: Es gibt sie gar nicht. Bislang existieren nur kleine und mittlere Versuchsanlagen zur CO2-Abscheidung und -Lagerung. Ob die Technologie jemals umweltverträglich und wirtschaftlich eingesetzt werden kann, ist offen. Selbst der Energieriese Vattenfall geht davon aus, dass ein großes Kohlekraftwerk mit CO2-Sequestrierung nicht vor dem Jahr 2020 fertiggestellt werden kann.

Zweitens: Es klingt vielleicht paradox, aber die CO2-Sequestrierung wird die CO2-Produktion gewaltig erhöhen. Die Sequestrierung ist derart energieaufwendig, dass der Wirkungsgrad deutlich sinkt und mehr Kohle verfeuert werden muss, um die für die Abscheidung nötige Energie zu liefern. Das Umweltbundesamt spricht von einer Erhöhung des Ressourcenverbrauchs bei Steinkohle um den Faktor 1,6 und bei Braunkohle um den Faktor 1,8.

Drittens: Ob das Wegschließen des CO2 von der Atmosphäre jemals gefahrlos möglich sein wird, steht in den Sternen. Die diskutierten Lagerstätten in früheren unterirdischen Gasspeichern sind in ihrer Aufnahmefähigkeit begrenzt. Bei Austritt der Gase in bewohntem Gebiet drohen Gesundheitsschädigungen der Bewohner bis hin zum Erstickungstod.

Viertens: Gewaltige Verkehrsströme würden die neue Technik begleiten. Pro Kraftwerk und Jahr müsste mit 1 bis 10 Millionen Tonnen CO2 gerechnet werden, die in einen kaltflüssigen Zustand versetzt und anschließend an die Lagerstätte gebracht werden müssen.

Fünftens: Die Technik ist insgesamt unglaublich aufwendig und teuer. Das ist nicht ein kleiner Katalysator, der zugebaut werden kann. Zur Abscheidung müssen vielmehr Anlagen errichtet werden, die ähnlich komplex sind, wie das eigentliche Kraftwerk. Das UBA schätzt die zusätzlichen Kosten auf 20 bis 50 Euro pro abgeschiedene Tonne CO2.

Die vier großen Stromkonzerne planen, in den nächsten Jahren 19 neue große Kohlekraftwerke zu bauen – mit dem vagen Versprechen einer Nachrüstung mit CCS. Doch es spricht nichts dafür, ihnen einen Freifahrtschein für den Bau neuer CO2-Schleudern auszustellen, zumal es Alternativen gibt. Neben dem weiteren Ausbau von Windkraft und Solaranlagen, Geothermie, Effizienzgewinnen, Veränderungen des Lebensstils besteht ein fast unerschöpfliches Energiereservoir in der Nutzung der Biomasse. Deren Potenzial ist genauso groß wie das der Kohle – ohne dass es deren Nachteile mit sich schleift.

Die Autorin ist umweltpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen.

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