zum Hauptinhalt

Innere Sicherheit: Der Pyrrhussieg der Liberalen

Die FDP wollte die bisherige Unions-Politik der Inneren Sicherheit stoppen und ihr eine neue Richtung geben. Es ist ihr gründlich misslungen.

"Noch so ein Sieg, und wir sind verloren!", soll König Pyrrhus von Epirus gesagt haben, nachdem er die Römer in der Schlacht bei Asculum geschlagen hatte. Seit dem ist der Pyrrhussieg einer, der den Sieger so geschwächt findet wie den Besiegten. Was ganz gut die Lage der FDP nach den Koalitionsverhandlungen um die Innere Sicherheit beschreibt. Noch so ein Sieg wie der vom Donnerstagabend, und die Glaubwürdigkeit der FDP als Bürgerrechtspartei ist perdu.

Mit hehren und eindeutigen Zielen war sie in den Kampf um die digitalen Bürgerrechte gezogen: Abschaffung der heimlichen Onlinedurchsuchung, Verhinderung des Großen Lauschangriffs, der Internetsperren und das Ende der Vorratsdatenspeicherung. In ihr Wahlprogramm hat die FDP den Satz geschrieben: "Der Gesetzgeber muss endlich aufhören, sich stets nur an der Grenze des noch verfassungsrechtlich Zulässigen zu orientieren."

Solange sie mit niemandem verhandeln musste, ließen sich solche Forderungen leicht aufstellen. Die Grenze des noch realpolitisch Möglichen jedoch sieht anders aus. Was also hat die FDP erreicht? Ein paar Einschränkungen, ja. Allerdings wird keines der Gesetze tatsächlich abgeschafft. Überall gibt es nur Eindämmungen, Aussetzungen oder Evaluierungen.

Die Onlinedurchsuchung bleibt, wie sie ist. Lediglich eine Einschränkung des bestehenden Gesetzes soll es geben: Das Bundeskriminalamt darf den Antrag auf Einsatz des "Bundestrojaners" nicht mehr selbst bei Gericht einreichen. Das muss nun der Generalbundesanwalt tun. Formalrechtlich ist das der korrektere Weg, ist die Polizei doch nur ausführende Behörde der Staatsanwaltschaften und handelt auf deren Weisung. Ändern aber wird sich dadurch an der Praxis des Instrumentes nichts.

Außerdem vereinbarten FDP und Union noch, dass der Verfassungsschutz die Onlinedurchsuchung nicht bekommen wird. Entsprechendes liegt noch gar nicht in Gesetzesform vor, sondern existiert lediglich als Wunsch des Innenministeriums. Angesichts der Tatsache, dass das BKA im vergangenen dreiviertel Jahr nicht einmal den Wunsch verspürte, irgendwen online zu durchsuchen, war es der Union wohl ein Leichtes, diese Zusage zu machen.

Was aus dem Lauschangriff wird, darüber gab es keine Informationen. Was vermuten lässt, dass sich nichts an ihm ändern wird.

Auch die Internetsperren bleiben in der Sache bestehen. Das entsprechende Gesetz, das schon fertig ist, kommt. Nun aber wird es wirr – denn ein sogenannter Anwendungserlass soll verhindern, dass das Gesetz auch wirksam wird. Man einigte sich darauf, dass das BKA erst einmal keine Sperrlisten erstellt und versuchen soll, die auffälligen Seiten zu löschen, statt sie zu blockieren. Dazu erklärte Innenminister Wolfgang Schäuble, man wolle das auch durch eine Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit erreichen. Nach einem Jahr soll dann über Erfolg oder Misserfolg berichtet werden.

Die Sperren kommen damit frühestens Anfang 2011, wenn sie denn dann noch nötig sind. Tatsächlich aber ist auch dieser Punkt billig. Hinter vorgehaltener Hand heißt es aus dem BKA schon länger, dass man die Sperren eigentlich bald nicht mehr braucht, da Zusammenarbeit und technische Möglichkeiten immer besser würden und man genug andere Wege habe, gegen die Verbreiter von Kinderpornografie vorzugehen.

Bei Punkt vier, der Vorratsdatenspeicherung, wurde ebenfalls die Substanz des Gesetzes nicht angefasst. Die Daten von Telefonverbindungen, E-Mailkontakten oder Faxabsendern werden weiter sechs Monate lang gespeichert. Ohne Verdacht und von jedem. Nur wann die Polizei sie verwenden darf, wurde überarbeitet. Dies solle nur bei "schweren Straftaten" möglich sein. Das allerdings klingt, als würde damit nichts weiter getan, als eine Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen – eingeschränkt nun nur um den Punkt bei einer "aktuellen Gefahr für Leib und Leben".

Die FDP-Verhandlungsführerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sprach dabei von einer "Aussetzung der Vorratsdatenspeicherung". Eine mutige Formulierung, denn ausgesetzt wird gar nichts. Geradezu interessant ist ihre Haltung angesichts der Tatsache, dass verschiedene FDP-Politiker und Gremien Verfassungsbeschwerde gegen dieses Gesetz eingereicht haben. Und in der ging es nicht um die Höhe irgendwelcher rechtlicher Hürden. In den Schriftsätzen bestreitet unter anderem Leutheusser-Schnarrenberger als Mitklägerin, dass die gesamte Regelung der Verfassung entspricht.

Man kann das alles als Sieg verkaufen. Oder, wie Leutheusser-Schnarrenberger sagte: Man sei in wichtigen Bereichen "zu guten Einigungen gekommen". Pyrrhus von Epirus aber hätte wohl eine andere Formulierung gewählt, allerdings war er Soldat und nicht Politiker. Denn ehrlich müsste man sagen: Mehr können wir nicht durchsetzen, (wenn wir mitregieren wollen).

Quelle: ZEIT ONLINE

Zur Startseite