zum Hauptinhalt
Beides Kühe, aber nicht verwandt. Aldis Pudding Flecki darf bleiben.

© dpa

Innovationen: Ein Pudding ist kein Pudding

Samsung gegen Apple, Flecki gegen Paula, Bayer gegen Generika-Hersteller. Die Vielzahl der Patent- und Markenrechtsstreitigkeiten sind Ausdruck einer Krise der Innovationen.

Von Anna Sauerbrey

Am Bezirksgericht von San José in Kalifornien befasst sich Richterin Lucy Koh ab Montag mit einer der großen Fragen des 21. Jahrhunderts. Es geht nicht um Krieg und Frieden, nicht um die Energieversorgung, nicht um den Hunger. Aber um eine Frage, die sich in der Hierarchie des Weltbewegenden stetig nach oben arbeitet. Die Frage lautet: Wer hat’s erfunden?

In Kalifornien geht ein Patentstreit zwischen Samsung und Apple in die nächste Runde. Gegenstand sind ein Tabletcomputer und ein Smartphone. Apple wirft Samsung vor, seine Ideen zu kopieren. Samsung kontert mit dem Vorwurf, es sei selbst von Apple bestohlen worden. In Deutschland hat Samsung in dieser Woche einen Zwischensieg errungen.

Der Prozess von San José ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem internationalen Kampf um Ideen. Es gilt: jeder gegen jeden. Ein paar Beispiele, die sich beliebig fortschreiben ließen: Microsoft gegen Motorola, Bayer und Novartis gegen asiatische Generika-Hersteller, Nestlé gegen zwei Schweizer Unternehmen, die Kaffeekapseln produzieren. In der vergangenen Woche ging der Streit zwischen den Kühen „Paula“ und „Flecki“ zu Ende, den Markengesichtern zweier Fertigdesserts. Es ging darum, wie ähnlich sich die Muster sein dürfen, die vermengte Schoko- und Vanillepuddings erzeugen.

Das klingt wenig weltbewegend, doch der Streitwert ist oft beeindruckend. Geistiges Eigentum ist Gold wert. Bei Apple und Samsung in Kalifornien soll es um 2,5 Milliarden Dollar gehen. Ähnlich wertvoll soll ein Patentpaket von Kodak, sein, um das Google und Apple konkurrieren. Die angemeldeten Patente werden zahlreicher, zumindest im Langzeittrend.

Man kann die Vielzahl der Prozesse lesen als die Magenverstimmung eines übersättigten Weltmarktes. Die kaufkräftige Mittelschicht in den Industrienationen hat alles, was sie braucht. Die Zahl der Fernseher und Autos, die ein Haushalt unterbringen kann, ist begrenzt. Es kommt immer mehr darauf an, eine Idee zu haben, sie als Erster zu haben, sie allein zu haben und sie am besten zu verkaufen. Die OECD nennt Innovation den wichtigsten Faktor für entwickelte Länder, noch Wachstum zu generieren.

Die Krise bremst Neuerungen gleich doppelt

Ab Montag setzt sich der Streit um den Tablet-Computer von Samsung in Kalifornien fort. In Deutschland konnten die Südkoreaner eine Teilsieg erringen.
Ab Montag setzt sich der Streit um den Tablet-Computer von Samsung in Kalifornien fort. In Deutschland konnten die Südkoreaner eine Teilsieg erringen.

© dpa

Die Krise allerdings bremst Neuerungen gleich doppelt. Die Unternehmen investieren weniger in Forschung und Entwicklung, die verschuldeten Staaten weniger in Forschungsprojekte und Bildung. Der Rückgang zeigte sich seit 2008 in einer Delle bei den Anmeldungen beim Europäischen Patentamt, erst 2011 zogen sie wieder an. Auch der Innovationsindex der Weltorganisation für Geistiges Eigentum (WIPO) stellt eine Verschlechterung des Klimas fest (Link zum Innovationsindex).

Doch statt gegenzusteuern und zu versuchen, die Rezession mit mehr Investitionen zu retten, reagieren Unternehmen wie Staaten mit Abwehr: Unternehmen verklagen sich gegenseitig vor Gericht. Auf staatlicher Ebene wird zunehmend versucht, durch restriktive Gesetzgebung und internationale Verträge das nationale Ideenwesen zu verteidigen. Das gescheiterte Handelsabkommen Acta gehörte dazu. Diese Verteidigungshaltung war zwar schon vor der Krise verbreitet und hat ihren Grund in der Konkurrenz zwischen den Innovationsnationen in Europa und Nordamerika und den „Kopierländern“ in Teilen Asiens. Doch der Druck erhöht sich, je länger die Krise dauert.

Die umgekehrte Reaktion, nämlich das Innovationsklima gezielt zu fördern, ist sowohl für Staaten als auch für Unternehmen ungleich schwieriger. Ob und wie Neues entsteht, hängt von Dutzenden Faktoren ab, die WIPO rechnet in ihrem Innovationsindex mit über 20 Faktoren, von der Möglichkeit, Kredite zu erhalten bis hin zum Wissenstransfer zwischen Universitäten und Unternehmen.

Ein Faktor allerdings sticht heraus: Der „Zugang zu Wissen“ und die Qualität der Bildungs- und Forschungseinrichtungen gelten als zentral. Die Bildungspolitik allerdings ist nicht nur in Deutschland im Krisengeheul zuletzt untergegangen. Es ist Zeit für eine Wiederbelebung.

Zur Startseite