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Meinung: Ins Getriebe gekommen

Ob Arbeitsamt oder Volkswagen – das Werk von Peter Hartz wird zurechtgestutzt

Lange gedauert hat es nicht, bis das Erbe von Peter Hartz auf handliches Format zusammengestaucht wird: Nur zehn Monate nach Inkrafttreten des größten Reformpakets auf dem Arbeitsmarkt wird bei der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg die Hartz-Revolution begradigt. Es wird gestrichen, zusammengelegt, aufgeräumt.

Und nur ein paar Wochen nach dem unfreiwilligen Abschied des kreativen Volkswagen-Personalchefs wird in Wolfsburg eine Vereinbarung unterschrieben, die ebenfalls eine echte Zäsur ist: Das Entgegenkommen der Belegschaft für den Bau des Geländewagens Marrakesch in Wolfsburg sei nur ein erster Schritt auf einem langen Weg zurück in die Wettbewerbsfähigkeit, sagte das Management. Der erste Schritt, dem noch sehr viele folgen müssen – auch so etwas hat man bei den beschäftigungspolitischen Weihestunden der Vergangenheit nicht gehört.

Wohin man auch blickt: Die tarif- und arbeitsmarktpolitischen Experimente des Peter Hartz werden auf Verwaltungsmaß gebracht. Das muss nicht schlecht sein. Allein die Häufigkeit, mit der bei Volkswagen zuletzt Revolutionen sozialpolitischer Art ausgerufen wurden, musste jeden Aktionär nachdenklich machen. Und die unkontrollierte Zunahme arbeitsmarktpolitischer Einzelmaßnahmen bei den Arbeitsagenturen ließ schnell den Verdacht aufkommen, dass nicht Beschäftigungs-, sondern Missbrauchschancen potenziert wurden. Es ist also richtig, wenn bei Volkswagen Verhandlungen zwischen Belegschaft und Management wieder stinknormal als Kompromisse bezeichnet werden. Es ist auch richtig, wenn die Arbeitsagentur die Beschäftigungsmaßnahmen auf das zurückstutzt, was zu meistern ist. Und noch wichtiger ist es, wenn Bundesarbeitsminister Wolfgang Clement dem Missbrauch den Kampf ansagt. Wenn 18 Milliarden Euro mehr verbraucht werden als geplant und womöglich nötig, dann scheint die Reform des Arbeitsmarktes ebenso viele neue Probleme geschaffen wie alte gelöst zu haben.

Nur: Schlimm wäre es, wenn über dem Versuch, den Hartz-Geruch aus den Kleidern zu schütteln, das Wichtigste gleich mit beerdigt würde, was die Arbeit der Hartz-Kommission gelehrt hat: Dass jeder Arbeitslose ein Einzelfall ist – und auch so behandelt werden muss. Dass individuelle Lösungen gefunden werden müssen, die den Mitarbeitern des Arbeitsamtes viel Spielraum für eigene Entscheidungen lassen. Dass kein Beschäftigungsinstrument Erfolg haben kann, wenn es hunderttausendfach pauschal angewendet wird. Und: Dass jedes Unternehmen, dass jeder Betriebsrat mit Kreativität und Flexibilität darum kämpfen kann, Arbeitsplätze zu erhalten.

Das sind Wahrheiten, die den Abschied von Peter Hartz überdauern werden. Deshalb dürfen die Arbeitsagenturen jetzt auch nicht zum vereinfachten Verwaltungsverfahren zur Behandlung Arbeitsloser zurückkehren. Es reicht nicht, eine Reihe von Maßnahmen zu streichen, die nicht wirken. Die Arbeitsämtler müssen dann eben neue finden, die besser wirken. Genau so, wie jetzt bei Volkswagen neue Verträge gefunden werden, weil die Alten nicht mehr wirken.

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