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Meinung: Ins Parlament geschleust

Mit dem Visa-Ausschuss führt die Union vor allem einen ideologischen Kampf

Von Hans Monath

Was weiß ein Bürger zu Anfang des Jahres 2005 von der Praxis der Visavergabe, sofern er nicht Freunde oder Verwandte im Ausland hat? Nichts. Was wird ein Bürger in zwölf Monaten über Reiseschutzpässe oder Ortskräfte von Botschaften wissen? Wenig mehr als zu Anfang des Jahres. Aber die Deutschen werden lernen müssen, mit Begriffen wie Reiseschutzpass, Einlader oder Ortskraft zu leben.

Dafür wird der Visa-Ausschuss des Bundestages sorgen, der am heutigen Donnerstag seine Arbeit aufnimmt. Untersuchungsausschüsse sind Kampfinstrumente. Die Union zielt mit dem neuen Gremium vor allem auf Außenminister Joschka Fischer. Das ist sicher keine Majestätsbeleidigung. Hohe Popularitätswerte sprechen Politiker nicht von Verantwortung frei. Und wer Verantwortung trägt, muss auch kritische Fragen beantworten. Allerdings hat Fischer, dem Arroganz bekanntlich nicht völlig fremd ist, nirgendwo erklärt, dass er für sich diese Verpflichtung nicht gelten lassen will.

Vieles deutet zudem darauf hin, dass die Missstände längst beseitigt sind, für die sich die Union nun interessiert. Ob in Osteuropa zehntausende oder tatsächlich hunderttausende illegale Visa ausgegeben wurden, ist weniger interessant als die Frage, wie künftig Missbrauch zu verhindern ist. Immer wenn zwischen zwei Ländern das Wohlstandsgefälle groß ist, versuchen viele, aus der Not ein Geschäft zu machen. Unappetitliche Details aus dem Bauch der Gesellschaft, aus der Praxis von Menschenhändlern, Schleusern und Zuhältern, werden ans Licht kommen. Doch lassen die sich auch außerhalb eines Ausschusses studieren.

Im Kern geht es den Protagonisten der Union um eine ideologische Auseinandersetzung: Im Bundestag warfen sie den Grünen vor, diese seien als Gesetzgeber mit ihren „Multikulti-Träumereien“ gescheitert und hätten deshalb versucht, ihre Vorstellungen unter Umgehung der Gesetze in dem von ihnen geleiteten Ministerium durchzusetzen. Wenn allein eine Vorgabe von oben den Missbrauch möglich machte, dann müsste es längst Hinweise auf Zehntausende gefälschter Visa auch aus Hanoi, Kinshasa oder Kairo geben. Darüber ist aber bislang nichts bekannt geworden. Deshalb spricht viel dafür, dass erst ganz spezielle kriminelle Strukturen in Ost- und Südosteuropa das Problem verschärft haben. Dass Warnungen von Sicherheitsbehörden offenbar verpufften, bringt das Auswärtige Amt tatsächlich in Erklärungsnot.

Auch verkennt die Union die Mündigkeit der Wähler, denen sie die Augen über die bösen Absichten der Regierung öffnen will: Diese Gesellschaft hat es nicht nötig, gegen ideologische Entwürfe von Rot-Grün in Schutz genommen zu werden. Wenn es drauf ankommt, regen sich die Deutschen schon und sagen, was sie zum Beispiel von Plänen für eine doppelte Staatsbürgerschaft halten. Dass die Grünen umgekehrt ihre Deutschen nicht mehr nach Parteitags-Blaupausen beglücken wollen, zeigt schon ihre Vorsicht beim Umgang mit Forderungen nach einer Erhöhung der Ökosteuer. Vor dieser Forderung scheuen im Moment sogar glühende Umweltaktivisten zurück.

Unbequem für die Regierung und insbesondere für Fischer und sein Ministerium wird dieser Ausschuss allemal. Wenig spricht aber dafür, dass der aufgeladene politische Enthüllungsgestus der Union der Regierung nachhaltig schaden wird. Wo es aber lediglich um Fragen politischer Verantwortung auf dem höchst komplizierten Feld der Visavergabe geht, wird ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zwar manche interessante Erkenntnis bringen. Er ist dann aber vielleicht doch ein zu wertvolles Instrument, um allein einem solchen Zweck zu dienen.

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