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Integrationsgesetz: Liebe Migranten

Das Integrationsgesetz des Senats ist nicht mehr als eine Leerform für gute Absichten. Wer Integration will, der muss über Pflichten und Lasten reden - sowohl für Deutsche als auch für Migranten.

Ja, man kann sich freuen, dass Berlin als erstes Bundesland einen Entwurf für ein Integrationsgesetz vorgelegt hat. Das darf man in der weltoffenen Hauptstadt mit 180 verschiedenen Nationalitäten auch erwarten. Warum die seit neun Jahren regierende rot-rote Koalition erst jetzt den Entwurf vorlegt, ist freilich schon die erste Frage. Denn nirgendwo in der Republik hat sich Multikulti-Romantik mit der harten und oft genug unschönen Realität des Zusammenlebens von Deutschen und Nichtdeutschen so gerieben, auch aufgerieben wie hier: seien es überforderte Lehrer, in deren Klassen kein deutsches Kind mehr sitzt, bis hin zum erschreckend hohen Migrantenanteil unter jungen Straftätern.

Was die Landesregierung vorgelegt hat, gibt auf diese drängenden Fragen zu wenige Antworten. Nordrhein-Westfalen zum Beispiel hat es auch ganz ohne ein Integrationsgesetz geschafft, dass Muslimen künftig Beerdigungen ohne Sarg erlaubt werden. Und dass die Verwaltung und öffentliche Betriebe anstreben sollen, langfristig die Zahl der Migranten unter ihren Angestellten entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung zu heben, ist nicht nur selbstverständlich, dabei kann auch das vorhandene Antidiskriminierungsgesetz helfen. Froh sein darf man, dass die geplante Quote aus verfassungsrechtlichen Bedenken entfiel.

Ein Gesetz, das unter der Rubrik „kann nicht schaden“ abgebucht wird, kann sich diese Stadt nicht leisten. Wer lediglich verkünden möchte: Liebe Migranten, ihr seid uns wichtig, der treibt ein falsches Spiel mit den Berlinern. Die wissen es besser. Berlin ist doch nicht nur bunt, sondern zutiefst gespalten – und dabei geht es nicht um Parallelgesellschaft, sondern um Armut und entmutigend hohe Arbeitslosigkeit unter Ausländern. Auf die Lebenswirklichkeit sozial abgehängter Kieze reagiert das Regelwerk nicht. Wer allerdings offen lässt, wo welche Hilfe geleistet werden muss, damit Teilhabe nicht nur ein Modell für wohlhabende Bezirke und studierte Zuwanderer ist, der hängt das Gesetz nur als vorgezogene Wahlkampffahne in den Wind.

Wer Integration will, der muss über Pflichten und Lasten reden – sowohl für Deutsche als auch für Migranten. Zum Gesetz gehört die Bestandsaufnahme, wie den Schulen geholfen werden kann, damit sie die Kinder bestens vorbereitet auf das Berufsleben entlassen können oder wie im Notfall Sanktionsmechanismen gegen integrationsunwillige und bildungsferne Eltern aussehen könnten. Wer das Angebot Integration annehmen will, ist hochwillkommen und muss alle Chancen erhalten – aber die Gesellschaft hat das Recht, Pflichten und Lasten einzufordern. Wer seine Talente nicht nutzen, sondern nur „auf Hartz machen“ will, darf nicht belohnt werden.

Das Gesetz, das zu alldem keine Antworten gibt, ist nicht mehr als eine Leerform für gute Absichten. Und wer darüber hinweggeht, dass wegen des Einstellungsstopps im öffentlichen Dienst die migrantischen Auszubildenden langfristig nicht übernommen werden, der mogelt sich selbst um so vage formulierte Ziele herum.

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