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Internet: Die Regierung kneift beim „Anti-Abzocke-Gesetz“

Anwaltskanzleien haben das Internet als lukratives Geschäftsfeld entdeckt. Abmahnungen sind zum Massengeschäft geworden. Doch die Regierung schafft es nicht, Verbraucher davor wirksam zu schützen.

Vom unbescholtenen Bürger zum Rechtsverletzer ist es oft nur ein Klick. Man muss nur seinen Lieblingssong ins Internet stellen oder Filme im Netz tauschen, schon ist der Ärger groß. Denn wer das tut, ohne vorher die Rechteinhaber um Erlaubnis zu fragen, begeht eine Urheberrechtsverletzung – und die kann teuer werden. Mehrere tausend Euro verlangen Anwälte als Schadensersatz und für ihre anwaltlichen Dienste. Denn die soll der Nutzer auch noch zahlen.

Gut, kann man sagen, wer die Rechte anderer verletzt, soll dafür büßen. Doch so einfach ist die Sache schon lange nicht mehr. Denn Anwaltskanzleien haben das Internet als lukratives Geschäftsfeld entdeckt. Mit moderner Software durchforsten sie das Netz und suchen nach Usern, die sie für Urheberrechtsverletzungen belangen können. Das geht schnell und macht keine große Mühe. Abmahnungen mit computergenerierten Briefen sind ein Massengeschäft. Das Porto ist gut investiert. Aus Angst vor weiter steigenden Kosten und den Inkassodiensten, mit denen die Kanzleien drohen, zahlen viele Nutzer oder ihre Eltern viel mehr als das, was sie eigentlich schuldig wären.

Zu Recht will Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger mit diesem Missbrauch Schluss machen. Sie will die Anwaltskosten für die erste Abmahnung von Privatleuten auf 155 Euro begrenzen. Doch ihr Gesetz hat nun erst einmal Schiffbruch erlitten. Kulturstaatsminister Bernd Neumann, der die Interessen der Medienschaffenden im Blick hat, geht der Entwurf zu weit. Er fordert Nachbesserungen zugunsten der Film- und Musikindustrie. Und er pokert hoch: Der Bundesregierung läuft die Zeit davon, die Legislaturperiode geht auf ihr Ende zu. Wenn sich Leutheusser-Schnarrenberger und Neumann nicht bald einigen, verschwindet das „Anti-Abzocke-Gesetz“ wieder in der Schublade.

Den Schaden hätten die Verbraucher. Millionen Menschen werden jedes Jahr zur Kasse gebeten – oft über Gebühr. Nicht nur von Abmahnanwälten, sondern auch von Gewinnspielbetreibern, die Leute ohne Erlaubnis anrufen und ihnen Verträge aufschwatzen. Gibt es Ärger, schicken auch sie Inkassodienste los, um ihre Forderungen einzutreiben.

Diese ganz alltägliche Abzocke setzt den Menschen schwer zu. Sie fühlen sich bedroht und verunsichert. Und sie zweifeln an dem Rechtsstaat, der sie in solche Situationen bringt. Klare Regeln und ein besserer Schutz vor Überrumpelung sind nötig. Auch im Interesse der Medienschaffenden, die Kulturstaatsminister Neumann mit seinem Veto schützen will. Denn viele Verbraucher trauen sich inzwischen gar nicht mehr, Filme oder Songs aus dem Netz herunterzuladen – aus Angst, dafür später belangt zu werden.

Doch nicht nur die Industrie könnte Schaden nehmen, auch die Regierung. Denn der Streit um das „Anti-Abzocke-Gesetz“ zeigt, wie zerrissen die schwarz-gelbe Koalition ist – und wie wenig Gespür sie für die ganz alltäglichen Nöte und Sorgen der Wähler hat.

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