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Nach einer Wahlkampfveranstaltung sitzt eine schwarz verschleierte Frau auf einer Treppe und zeigt ein Plakat des Präsidentschaftskandidaten Jalili.

© Reuters

Iran, Ägypten, Türkei: Die Bilanz des politischen Islam ist bislang schlecht

Türkei, Iran und Ägypten, alle drei Staaten werden inzwischen unter dem Banner des politischen Islam regiert. Die Grenzen zwischen Staat und Religion sind nicht klar gezogen - doch gerade deshalb lohnt die Einmischung.

Spektakuläre Bürgerrevolten in der Türkei, dumpfe Friedhofsruhe bei Irans Präsidentenwahlen, eskalierender Kulturkampf in Ägypten – so unterschiedlich die simultan aufblitzenden Konflikte in den drei größten Nationen des Nahen Ostens erscheinen, so gemeinsam sind ihre Wurzeln. In der Türkei wollen sich die Menschen das autoritär Bevormundende ihrer frommen Herrscher nicht länger gefallen lassen. Irans politische Klerikerkaste kann die junge, frustrierte Bevölkerung des Landes nur noch mit einem beispiellosen Polizeistaat in Schach halten. Und Ägypten ist seit dem islamistischen Verfassungscoup so tief gespalten, als wenn säkulare und fromme Bewohner nicht mehr länger in einer Nation zusammenleben wollten.

Türkei, Iran und Ägypten, alle drei Staaten werden inzwischen unter dem Banner des politischen Islam regiert. Doch wie staatsfähig und demokratietüchtig ist der politische Islam – der alte von Khameneis Islamischer Republik, der mittlere von Erdogans Türkei und der neue von Mursis Ägypten? Wie tolerant und plural kann eine islamische Führung agieren, die sich in Politik, Kultur und Privatleben Allahs geoffenbarten Wahrheiten verpflichtet fühlt? Und wer garantiert Andersdenkenden und Andersgläubigen den Raum für ihre Lebensstile, Frauenbilder und Familienideale?

Bisher jedenfalls ist die Bilanz ausgesprochen trübe. Nirgendwo auf der Welt hat der politische Islam bisher belegt, dass er für offene Gesellschaften und stabile demokratische Verhältnisse sorgen kann. Nirgendwo sitzen mehr Journalisten im Gefängnis als in der Türkei und dem Iran, selbst im viel gescholtenen China nicht. Nirgendwo existiert eine produktive Koexistenz zwischen islamistischen Machthabern und säkularer Zivilgesellschaft. Ägyptens geplantes NGO-Gesetz verrät vor allem tiefes Misstrauen. Und die harten Gefängnisurteile gegen Mitarbeiter politischer Stiftungen kamen den islamistischen Machthabern am Nil gerade recht.

Denn die Grenzen zwischen Staatsverantwortung und religiöser Agenda sind ungeklärt. Staat und Religion werden verquickt und politisiert, die Bürger erleben das als permanente Invasion in ihr öffentliches Dasein und persönliches Leben, als einen Trend zu militanter Eindeutigkeit, kultureller Monotonie und Ausgrenzung von Minderheiten. Erschwerend kommt hinzu, dass Machtbesitz in der politischen Kultur des Orients stets als Nullsummenspiel begriffen wird. Wer Macht hat, drückt den anderen so hart es geht an die Wand. Kompromisse oder Rücksicht auf berechtigte Interessen anderer existieren in diesem Denken nicht. Und so wollen auch die frommen Islamisten nicht begreifen, dass ein Wahlsieg sie nicht automatisch legitimiert, sich jeden Winkel der Gesellschaft zu unterwerfen.

Für die westlichen Staaten wird das Klima im Umgang mit diesen Staaten zweifellos rauer, wollen sie weiterhin an der Seite säkularer Bevölkerungsteile dem islamistischen Hegemoniestreben entgegentreten. Deren Protagonisten verteufeln Grundwerte wie Pluralität, universale Rechte und tolerantes Kulturverständnis als westlichen Unrat. Mitbürger, die solche Werte hochhalten, werden als Spione denunziert. Dieses aggressive Sperrfeuer jedoch darf nicht irritieren. Egal ob in der Türkei, dem Iran oder Ägypten – der Kampf um das künftige Antlitz der Gesellschaften ist keineswegs entschieden. Darum ist es so wichtig, sich einzumischen an der Seite derer, die für ihre Freiheitsrechte kämpfen und gegen die erstickende islamistische Gängelung.

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