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Einem Bericht der Atomenergiebehörde IAEA zufolge hat Iran an Atombomben gebaut.

© dpa

Iran-Bericht: Eine Atombombe kann nicht geduldet werden

Die westlichen Staaten wollen eine iranische Atombombe niemals dulden. Deutschland verpflichtet nicht seine Geschichte zu einer solchen Haltung, meint Malte Lehming. Verpflichtend ist die Humanität.

Es ist reiner Zufall, dass die Atomenergiebehörde IAEA ihren Iran-Bericht am Jahrestag des 9. November 1938 präsentiert. Daher sollte der Versuchung widerstanden werden, das heikle Thema einer möglichen iranischen Atombewaffnung, die die Existenz Israels gefährdet, allein durch das Prisma einer besonderen deutschen Verantwortung zu sehen. Ein diktatorisch regierter Staat, in dem das Volk gequält wird und Folter, öffentliche Exekutionen und Steinigungen an der Tagesordnung sind, droht seit Jahren damit, die Menschen eines anderen, demokratisch verfassten Staates zu vernichten. Allein diese Information reicht, um ein Urteil darüber fällen zu können, ob der diktatorische Staat in der Lage sein sollte, seine Drohung mit Hilfe von Nuklearwaffen in die Tat umzusetzen. Die Antwort, die von allen politisch Verantwortlichen im Westen schon oft und klar und unmissverständlich gegeben wurde, lautet: Nein.

Dieses Nein ist mehr als eine Drohung. Es ist ein Versprechen. Um so mehr beunruhigen die Informationen, die über den IAEA-Bericht bereits durchsickerten. Offenbar arbeitet das Regime in Teheran unablässig an Komponenten jener Art von Hochtechnologie, die sich innerhalb von Monaten in eine Atomwaffe umwandeln lässt. Entsprechend laut läuten die Alarmglocken in Israel. Begleitet werden sie von Luftwaffenmanövern und zivilen Alarmübungen. Aber Israel allein kann es mit diesem Gegner nur schwer aufnehmen. Die Entfernung ist groß, es gibt zu viele Ziele. Überdies sitzt im Norden Israels die Iran-hörige Hisbollah-Miliz – ein schon wieder bis an die Zähne bewaffneter Feind, dessen Rache grausam sein könnte.

Und die USA? Abgesehen von der Sicherheit Israels, die Amerikanern ein Herzensanliegen ist, darf Friedensnobelpreisträger Barack Obama auf keinen Fall in den Ruf geraten, den atomaren Rüstungswettlauf in einer der fiebrigsten Regionen der Welt durch Nichtstun zu befördern. Wenn der Iran die Bombe hat, werden die Türkei und Saudi-Arabien nachziehen, so viel ist gewiss. Darum: Wehret den Anfängen! Israel ist ein Sonderfall. Doch obwohl es den USA kaum an Kapazitäten für einen begrenzten Militärschlag fehlen würde, fehlt ihnen etwas anderes – jene öffentlich überzeugende Legitimationsgrundlage, durch die allein die Bevölkerung, die sich durch Irak und Afghanistan im interventionistischen Erschöpfungszustand befindet, aufgerüttelt und mobilisiert werden kann. Die Schmach aus dem Jahr 2003 sitzt tief, als angeblich sichere Beweise die Existenz irakischer Massenvernichtungswaffen belegen sollten. Im Fall Iran müssen die Geheimdienstler mehr vorlegen als ein paar unscharfe Satellitenfotos.

Deshalb wird der immer dramatischere Wettlauf gegen die Zeit in eine nächste Runde gehen. Überdies sind die nichtmilitärischen Optionen keineswegs ausgeschöpft. Noch schärfere Sanktionen können sowohl den Machtkampf in der Führung befeuern als auch den Widerstandsgeist im iranischen Volk. Unter der gesellschaftlichen Oberfläche brodelt es jedenfalls heftig. Und wer weiß, vielleicht gelingt ein zweiter Husarenstreich wie mit dem Computervirus Stuxnet, der Irans Atomindustrie infiziert und erheblich zurückgeworfen hatte.

Auch Deutschland – und dieser kleine Schwenk zum 9. November 1938 sei erlaubt – hat wiederholt erklärt, eine iranische Atombombe niemals dulden zu wollen. In erster Linie indes verpflichtet nicht die Geschichte zu einer solchen Haltung, sondern die Humanität.

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