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Wandgemälde in Teheran von Ajatollah Chamenei.

© dpa

Iran: Im Atomnebel

Die IAEO warnt, die amerikanischen Geheimdienste entwarnen. Beide haben recht, denn die Strategie des Iran lautet: die Bombe zu bauen, ohne sie zu bauen.

Medien erliegen manchmal der Versuchung, einen Scheinwiderspruch zu konstruieren, wo keiner ist. Konflikt verkauft sich angeblich besser. Und es kitzelt die Neugier, wenn sich zwei widersprechen, die man im selben Lager wähnt. Oder wenn die Bedrohungsanalyse eines „Kriegstreibers“ moderater ausfällt als die einer Instanz, die man zum „Friedenslager“ zählt.

Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) berichtet, der Iran habe die verdächtige Urananreicherung beschleunigt. In einer neuen Anlage in Fordo, die im Innern eines Bergs liegt, wo sie durch eine 80 Meter dicke Granitschicht vor Luftangriffen geschützt ist, könne der Iran zu 20 Prozent angereichertes Uran produzieren – drei Mal so schnell wie in der alten Anlage. Teheran weigere sich, Fragen zur „potenziellen militärischen Dimension“ zu beantworten und den Kontrolleuren Zugang zu verdächtigen Fabriken zu geben, darunter einer in Parchin, die Explosionsstoff produziert, der zur Zündung eines Atomsprengkopfs dienen kann. Parallel berichtet die „New York Times“ über die Einschätzung der US-Geheimdienste. Deren Chefs sagten in einer vertraulichen Sitzung des Senats am 31. Januar, der Iran arbeite weiter an der technischen Option, eine Atombombe zu bauen, habe die endgültige Entscheidung über den Bau aber noch nicht gefällt.

Manche Medien spielen mit den Vorurteilen, die sie zuvor geschaffen haben, wenn sie nun einen angeblichen Gegensatz hervorheben. Die generell „gute“ IAEO „warnt“ vor einem beschleunigten Atomprogramm. Die generell „bösen“ US- Geheimdienste „entwarnen“: Noch keine Entscheidung der Mullahs für den Bombenbau. Tatsächlich sagen beide dasselbe.

Seit Jahren hält der Iran die Welt im Unklaren. Er behauptet, das Programm habe zivile Ziele, tut aber Dinge, die technisch und ökonomisch nur sinnvoll erscheinen, wenn es um Bombenfähigkeit geht. Das schließen Experten aus dem Design der Anlagen, dem Anreicherungsgrad und den Uranmengen. Viele Iraner leben trotz des Ölreichtums ihres Landes in relativer Armut. Es mangelt an Jobs für die Jugend und selbst an Benzin. Dennoch investieren die Mullahs Milliarden, um ein Atomprogramm unter die Erde zu legen, das angeblich unschuldigen Zwecken dient.

Die Unklarheit ist beabsichtigt. Deshalb bekommen die Kontrolleure auch nicht den Zugang, der Klarheit schaffen könnte. Es dient der Verteidigung der Macht nach innen, wenn das Regime sich dem Westen widersetzt. Und es dient der Verteidigung nach außen, wenn die Welt nicht sicher sein kann. Sie hat nicht genug Beweise, um eine Intervention zur Verhinderung der Bombe zu rechtfertigen, riskiert aber zugleich, dass sich der Iran allmählich unangreifbar macht, indem er sich die Fähigkeit verschafft.

Die Mullahs wissen auch: Wenn ihr Verhalten Israel und die USA zu der Analyse bringt, sie wollten die Bombe bauen, steigt das Kriegsrisiko. Es wäre wohl das Ende ihrer Herrschaft. Deshalb ist ihre Überlebensdevise: Immer so tun, als ob, aber sich nie zur Bombe bekennen. Darf man ihrer Vernunft trauen, die Bombe nicht zu bauen? Oder siegt die Versuchung, es heimlich zu tun? Europa kann mit der Unsicherheit leben. Israel nicht.

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